Matisyahu – Youth
Viele denken an Palmstrände oder an distinktionswütige HipHop-Heads, doch Reggae ist im Ursprung eine ausgesprochen fromme Musik. Schon die Songs von Bob Marley waren aufgeladen mit Nyabinghi-Trommeln und den seligen Gesängen der Rastafarians. Auch Matthew Miller alias Matisyahu ist ein gläubiger Mann. Doch statt Dreadlocks trägt er die Tracht der orthodoxen Juden; statt Joints zu qualmen, studiert der 26-jährige New Yorker lieber die Thora.
Seiner Musik hört man das nicht an. „Youth“ ist über weite Strecken lupenreiner Roots-Reggae, gelegentlich kommen Rock-, HipHop- und in „Ancient Lullaby“ sogar afrikanische Einflüsse dazu. Bill Laswell, der sich sonst eher den experimentellen Formen des Dub-Reggae widmet, hat das Album ausgesprochen abwechslungsreich produziert – man hätte sich etwas mehr von seinen subsonischen Bass-Extravaganzen gewünscht. Drei Songs wurden von den HipHop-Produzenten 111 Factor und Jimmy Douglas fabriziert – und klingen entsprechend. Dazu kommt, dass Matisyahu allerhand unterhaltsame Dinge mit seiner Stimme anstellen kann – zumindest für ein Bleichgesicht.
Doch gute Reggae-Sänger gibt es viele, der Grund, warum Matisyahu momentan viel Aufmerksamkeit genießt, ist natürlich sein strenger jüdischer Glaube und das (für einen Popsänger) exotische Äußere. Der Titelsong „Youth“ ist denn auch ein leidenschaftliches Manifest für ein gottgefälliges Leben. Zu apokalyptischen Trommeln und grollenden Rock-Gitarren fordert der Sänger: „Slam your fist on the table and make your demand/Take a stand, fan the fire for the flame of the youth/ Got the freedom to choose, you better make the right move/ Young man – the power is in your hand.“ Den richtigen Weg, soll erwählen, der junge Mann. Matisyahu warnt ihn eindringlich vor Bier, Zigaretten und spiritueller Leere. Verglichen mit dem Fundamentalismus mancher Rastas ist das alles noch recht moderat. Andererseits: Ist es nicht sonderbar, wie die säkulare, einst keinem Exzess abgeneigte Popkultur immer stärker nach Gott sucht? Als würde die Schlichtheit des Glaubens die zunehmende Komplexität unsers Lebens in die Schranken weisen. Doch hat spirituelle Inbrunst schon manches große Werk entstehen lassen. Von einer Kathedrale wie „Heart Of The Congos“ ist „Youth“ noch weit entfernt. Aber eine hübsche kleine Synagoge ist ja auch nicht zu verachten.