The Dresden Dolls
Yes, Virginia
Musik wie aus dem "Cabaret". mit makabren Themen durchsetzt
Ich mag, wie Amanda Palmer in die Tasten ihres Pianos drischt: Das hat eine unglaubliche Dringlichkeit. Und es klingt verdammt selbstsicher.
HIPHOP von Jürgen Ziemer
Die etwas aufgesetzte Das-waren-die-wilden-2oer-Jahre-Attitüde des Debüts steht auf dem neuen Album der Dresden Dolls nun nicht mehr ganz so dominant und plakativ im Vordergrund. Was bleibt, sind die halsbrecherischen Pianoläufe, eine ungeduldige, sehr prägnante Stimme und Brian Vigliones chirurgisch präzise gesetzte Beats und Breaks. Songs wie „Dirty Business“ erinnern gelegentlich an die Sparks und deren Klassiker „This Town Ain’t Big Enough For Both Of Us“.
Der Albumtitel „Yen, Virginia“ ist der Anfang eines Briefs, den ein Redakteur der „New York Sun“ 1897 einem achtjährigen Mädchen schrieb. Wortreich und eloquent erklärt der verlogene Kerl der kleinen Virginia, dass es auf jeden Fall einen Weihnachtsmann gibt: „He lives and lives forever.“ Auf eine ähnlich ironische Weise setzen sich auch die anderen Lieder des Albums mit der Welt und ihren Widersprüchen auseinander. Songtitel wie „MandyGoes To Med School“, „My Alcoholic Friends“ oder „Sex Changes“ geben einen guten Vorgeschmack auf den bisweilen makabren Inhalt. Das bereits genannte „Yes Virginia“-Zitat taucht auch in „Mrs. O“ wieder auf, der Charakterstudie einer bösen alten Frau: „There’s no Hitler and no Holocaust/ No winter and no Santa Claus/ And yes, Virginia, all the truth won’t save you now…“
Trent Reznor war von den Qualitäten des Duos so beeindruckt, dass die Dresden Dolls letztes Frühjahr im Vorprogramm von Nine Inch Nails spielten – auch wenn deren Musik so viel anders klingt. Doch neben reichlich „Cabaret“-Remimszenzen findet man auf „Te.s. Virginia“ eben auch eine sehr moderne und aufgeklärte Gothic-Attitüde. Schon der Name signalisiert ein Kokettieren mit den letzten Dingen und ihrer ironischen Banalisicrung. Aberwie heißt es so schön im letzten Song „Sing“: „Life is no cabaret/ We’re invitingyou anyway“.
In diesem Sinne: eine schöne Abwechslung vom musikalischen Einerlei.