Elvis Costello
My Flame Burns Blue
Deutsche Grammophon (Universal)
Ein opulentes Live-Album von 2004. Mit "II Sogno" als Bonus
Diese Platte erkläre vielleicht, was er während der letzten zwölf Jahre gemacht habe, wenn er mal keine elektrische Gitarre in der Hand gehabt habe, schreibt Elvis Costello in den liner notes zu „My Flame Bums Blue“. Nun ja, wem Costello nicht ganz gleichgültig ist, der dürfte das schon mitbekommen haben. Der ständige Wechsel zwischen den Stilen ist ja mittlerweile fast schon eine Konstante in seinem Werk. Dabei hält er sich allerdings auf wundersame Weise fern von allzu großer Prätention und bleibt immer der größenwahnsinnige Bollerkopf, der er ja immer schon war. Ich sage nur „Imperial Bedroom“.
„My Flame Burns Blue“, ein Live-Album mit dem niederländischen Metropole Orkest, dem einzigen Jazzorchester mit Streichersektion, aufgenommen beim North Seajazz Festival 2004 in Den Haag, ist wohl My Flame Burns Blue als süffiger Appetizer gedacht, um sein Publikum mit einem Überblick über das orchestrale, aber doch am Songformat orientierte Werk mit vielen relativ unbekannten Stücken an Costellos erste Symphonie „Il Sogno“ heranzuführen, die in Auszügen auf einer45-minütgen Bonus-Disc beigelegt ist.
Der Höhepunkt des Konzertes, Costellos lyrische Adaption von Charles Mingus‘ „Hora Decubitus“, eröffnet das Album. Unser Elvis, der auch ungestellte Fragen selten unbeantwortet läßt, erklärt, dies sei ein Tribut an eines seiner liebsten Live-Alben überhaupt: „Rock Of Ages“ von The Band, das ebenfalls mit dem Finale beginnt.
Nach dieser grandiosen Mischung aus Jazz und R&B geht’s zurück an den Anfang: „Favourite Hour“, ein auf „Brutal Youth“ quälend karges Stück, wird durch Steve Nieves Arrangements zur großen Costello-Ballade. Dave Bartholomews „That’s How You Got Killed Before“ swingt unwiderstehlich, und überhaupt liefert das Metropole Orkest eine ungemein süffige Begleitung, selbst das zu Tode gespielte „Almost Blue“ ersteht umarrangiert neu, nachdem „Clubland“ zuvor allerdings im Latin-Groove vollkommen danebenging.
Das für von Otter und die Brodskys geschriebene „Speak Darkly My Angel“ schimmert dunkel, das wundervolle „All This Useless Beauty-Outtake „Almost Ideal Eyes“ erfährt die lang verdiente Aufführung, „Put Away Forbidden Playthings“, das Costello für einen Countertenor zum 300. Todestag von Henry Purcell schrieb, schwillt dramatisch an, dann löst Costello die Spannung mit einer furiosen Version von „Episode Of Blonde“. Was mögen die Damen und Herren beim North Sea Festival gedacht haben, als der lustige Mann im Frack mit der Brille und den riesigen Schuhen, der eben noch händeringend croonte, plötzlich wie gestochen diese Wortkaskaden ms Mikrophon spuckte? „Watching The Detectives“ wirkt dagegen später in einem 5oer-Jahre-TV-Krimi-Arrangement ziemlich zahm. „God Give Me Strength“ ist dann der feierliche Abschluß eines ziemlich unterhaltsamen Konzertdokuments.
Auf die Idee, danach „Il Sogno“ aufzulegen, bin ich allerdings nicht gekommen – ich hatte nach diesen schmissigen Bläsersätzen mal wieder Lust auf die TKO Horns von „Punch The Clock“ -, und die opulenten Balladen brachten mich direkt zurück zu „Painted From Memory“. „I#m not saying that there will be violins/ But don’t be surprised if they appear.“