Die Zeit, die bleibt
Frankens Ozon (Start 20.4.) Abschied im Angesicht des Todes: Romain (Melvil Poupaud) hat Krebs. Der Tumor sitzt im Kopf. „Inoperabel“, lautet die niederschmetternde Diagnose des Arztes. Ohne Chemotherapie hat er noch drei Monate zu leben. Heilungschance: weniger als fünf Prozent. Er solle trotzdem kämpfen, meint der Mediziner. Doch der 30jährige Modefotograf entscheidet sich dagegen. Er verschweigt seine Krankheit, zieht sich zurück. „Die Zeit, die bleibt“ ist der zweite Teil einer Trilogie über die Trauer, die der französische Regisseur Ozon 2000 mit „Unter dem Sand“ begonnen hatte. Charlotte Rampling kann sich darin nicht von ihrem verschollenen Ehemann lösen. Diesmal muß ein junger Mann sich vom Leben trennen. Und es ist eine Qual, ihm dabei zuzusehen. Er will zunächst weiter arbeiten, ein Shooting in Japan könnte ihn ganz groß rausbringen, erklärt seine Disponentin. Doch Romain ist bereits zu schwach für die Strapazen, meldet sich offiziell in den Urlaub ab. Auch seinen Eltern sagt er nichts davon, so wie jene nicht wissen, daß er schwul ist und nie Kinder haben wird wie seine jüngere Schwester, mit der er sich wie immer zankt. Dann trennt er sich rüde von seinem langjährigen Liebhaber (Christian Sengewald). Er kokst und geht in eine finstere Schwulenbar, doch das lenkt ihn nicht vom nahenden Ende ab. Schließlich reist er zu seiner Großmutter Laura (Jeanne Moreau), der er als einziger sein Schicksal beichtet. Auf die Frage, warum er es gerade ihr anvertraue, antwortet Romain mit zärtlichem Sarkasmus: „Du bist wie ich-du wirst auch bald sterben.“
Subtil und langsam porträtiert Ozon mit Romain einen Mann, der sich Gefühle immer vom Leib gehalten hat. Er frißt auch seine Angst in sich hinein, läßt sich nichts anmerken. Seine Fotos mit den jungen Models sind vergänglich wie das Leben und so will auch er sich quasi auflösen. Romain wird immer schwächer und dünner, vollgepumpt mit Schmerzmitteln. Als kleiner Junge hat er respektlos ins Weihwasser gepinkelt. In der meditativen Ruhe dieses Films liegt keine Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod. Schmerzlich, aber unsentimental wird man dabei mit den ewigen Fragen konfrontiert: Was ist der Sinn des Lebens? Was bedeutet der Tod? Und sollte nichts folgen – was bleibt zurück?
So gibt Romain sich am Ende doch einem geringen Trost hin, ohne seine konsequente Haltung völlig zu ändern. Auf dem Kinderspielplatz fotografiert er heimlich seine Schwester, was er immer abgelehnt hat. Und er denkt über das Angebot einer Kellnerin (Valeria Bruni-Tedeschi) nach, mit ihr ein Kind zu zeugen, da ihr Ehemann unfruchtbar ist. Zuletzt sieht man einen Sonnenuntergang am Strand, ähnlich wie in „5 x 2“. Die Farben bleichen langsam aus, das Licht erlischt. Dann wird das Bild schwarz. Vielleicht sieht so der Tod aus.