Billy Bragg
Volume 1
Cooking Vinyl (Indigo)
Boxset mit den ersten Alben des Folksängers und Kämpfers für das Gute
Nur ein bißchen Mut, mehr braucht es manchmal nicht. Als ein 25jähriger Songschreiber hörte, daß John Peel alles für ein Pilz-Biriyani tun würde, ging er schnurstracks zum nächsten Inder, dann zur BBC und nötigte den DJ, endlich sein Debüt zu spielen. „Life’s A Riot With Spy Vs. Spy“ hieß es, und erstaunlich viele Leute wollten die sieben Songs darauf hören. So begann die Karriere des Billy Bragg.
Auch 23 bis 16 Jahre später gehen einem seine Stücke sofort wieder ans Herz. Die ersten vier Alben versammelt dieses Box-Set, alle jeweils mit einer zweiten CD mit Bonustracks versehen, dazu ein Booklet mit den Songtexten und Billys Danksagungen („to my mother, for finally accepting that I’m never going to have a ‚proper‘ Job“). Der erste Song ist gleich programmatisch: „The Milk Man Of Human Kindness“. Bragg will den Einsamen helfen, den Traurigen, Verbitterten. Aber schon beim dritten Stück, ,A New England“, schleicht sich Ironie ein: Er wolle die Welt nicht ändern, behauptet er, er wolle nur ein weiteres Mädchen finden. Ist natürlich Quatsch. Doch das ist ja das große Talent dieses Mannes: Er klingt immer so altmodisch ehrlich, so wütend über die Ungerechtigkeiten allerorten, und dabei verliert er nie seinen britischen Humor.
Man muß diese Platten besitzen – wegen ihrer fast noch jugendlichen Wut, wegen der forcierten, manchmal regelrecht herausgespuckten Texte vom Leben in Maggie Thatchers Britannien, meinetwegen auch nur wegen der wunderbaren Titel.
„Brewing Up With Billy Bragg“ (1984) und „Talking With The Taxman About Poetry“ (1986) stecken voller Weisheit und Wahrheit, und sie machen auch noch Spaß. Das geht nicht oft zusammen.
Und dann all diese Bonus-Tracks. Viele interessante Alternativ-Versionen, unveröffentlichte Songs, und Bragg covert sich um Kopf und Kragen. Aus John Cales „Fear Is A Man’s Best Friend“ wird fast Punkrock, „The Last Time“ von den Rolling Stones dafür zu flottem Folk. Bei „Back To The Old House“ gibt Bragg überraschenderweise einen fest perfekten Morrissey, was natürlich absolut unnötig ist. Sam Cookes „A Change Is Gonna Come“ geht indes jede Sinnlichkeit ab, dafür hört man den Umsturz förmlich vor der Tür stehen. Solch unterschiedliche Songs, und doch fügen sie sich problemlos ein. Man unterschätzt den Sänger Billy Bragg, wenn man denkt, das ist Zufall. Und ja, natürlich spielt er auch Stücke seines großen Helden Woody Guthrie („Deportees“, „This Land Is Your Land“).
Das zweite Sieben-Songs-Album Braggs, „The Internationale“ (1990), wurde hier mit einer Live-EP und der DVD „Here f& There“ aufgerüstet, auf der drei Live-Mitschnitte von 1986 bis 1988 zu sehen sind; das letzte Zuckerl ist die DVD „From The West Down To The East“ mit zwei Konzerten: „The South Bank Show“ vom März 1985, einem TV-Special, in dem Bragg auch viel vom Songschreiben und seiner Weltsicht erzählt, und ein Mitschnitt vom August 1986, als Bragg ausgerechnet beim „Liedersommer der FDJ“ spielte. Die subversiven Verse über seine britische Heimat über die gleichgeschaltete Presse, das schlechte Fernsehen, die allgemeine Ratlosigkeit – paßten auch ganz gut nach Ost-Berlin, aber übersetzt wurden vorsichtshalber nur Braggs recht allgemeine Ansagen. Er gab sich Mühe, besonders deutlich zu sprechen, und doch sahen die meisten wohl nur einen rotgesichtigen, schlechtgckleidetcn jungen Mann, der sich eine bessere Gesellschaft wünscht und über alles Mögliche mächtig wütend ist. Einer von ihnen.
Und das war Billy Bragg ja immer: Einer von uns. wer immer wir sind – solange wir nicht mächtig, konservativ, rechtsradikal oder gleichgültig sind (es bleiben also doch nicht gar so viele übrig). Natürlich könnte man über den Idealismus lachen, den er sich bis in sein 49. Lebensjahr hinübergerettet hat. Man kann sich aber auch einfach auf den zweiten Teil dieser Zwischenbilanz freuen, und auf das nächste Album. Er wird wieder einiges zu sagen haben.