Scott Stapp – The Great Divide
Wie er da schon steht. Den Kopf weit nach hinten gebeugt, damit er besser schreien kann, die Augen geschlossen, die Haltung angespannt, das Mikrophon im Würgegriff. Scott Stapp ist kein glücklicher Mensch. Das ist schade, denn er ist ja Christ, und man hofft immer, daß ein unverrückbarer Glaube das Leben leichter macht. Zwischenzeitlich wollte sich Stapp sogar umbringen, aber dann hat er es sich doch anders überlegt. Er hörte mit den Drogen und dem Alkohol auf und hofft nun, daß ihm die ehemaligen Kollegen seine Missetaten vergeben werden. Zur Erinnerung: Stapp hat mit Creed 25 Millionen Alben allein in den USA verkauft, bevor sich die Band 2004 wegen kreativer Differenzen und allgemeinem Mißmut auflöste. Leider sechs Jahre zu spät.
Es gibt durchaus Dinge, die man an Scott Stapp schätzen kann: Er hat mindestens einen großartigen Song geschrieben („My Own Prison“), mit seinen Überzeugungen hat er nicht hinterm Berg gehalten, Pathos war ihm nie peinlich. Natürlich hat er es ständig übertrieben, aber selbst das war manchmal ganz rührend. Den Ruf als Zweite-Klasse-Pearl Jam konnten Creed freilich nie abschütteln, und bei ihren drei Alben verloren sie immer mehr an Kraft und ersetzten sie durch Kraftmeierei.
Leider hat Stapp nichts dazugelernt. Wie sein Solo-Debüt schon losgeht. „Welcome friends, I have nothing to hide/ The journey’s end has left a mark inside“, preßt er heraus, der Sound dazu ist durchschnittlicher Grunge-Rock, circa 1996.
Und nach diesem „Reach Out“ geht es immer so weiter: keine erinnerungswürdigen Melodien und nervige Angeber-Gitarren, wie sie angeheuerte Studio-Mucker eben so spielen. Wenn Stapp gerade nicht schreit, was er jetzt leider dauernd tut, dann hört sich seine tiefe Stimme hin und wieder immer noch recht ordentlich an – wie in den Strophen von Justify“, die auch aus Jon Bon Jovis Soloalbum stammen könnten. Aber das lahmarschige „Let Me Go“, der stumpfe Titelsong, das unentschlossene „Sublime“ – das sind keine Songs, das sind Zustände, und keine angenehmen.
Leider teilt er auch textlich nicht das Meer, er watet bloß noch in seichten Gewässern. Ich erspare Ihnen die „broken and used“-, „found out the hard way“ und „down on my knees“-Worthülsen, und rezitiere lieber die besten Zeilen des Albums: „If I had just two words to say/ To explain my life away/ I could say ups and downs/ Because I always kept my defense down.“ Dann muß man eben auch mal Kritik einstecken können.