Sam Cooke
One Night Stand
Sony
Eine legendäre Live-Aufnahme des souveränen Soul-Königs
Bei so manchen Einträgen im „Rock-Lexikon“ von Schmidt-Joos & Graves faßt man sich ja doch gelegentlich ans Hirn und grübelt, wie da große Interpreten unter Wert geschmäht werden. Daß Cooke seine großen Erfolge mit „süßlichen Balladen“
gehabt und das Gros seiner Singles „belanglose Schlager“ enthalten habe, ist so ein Schmarren. Von süßlich könnte auch bei seinen elegantesten Balladen-Arrangements genauso wenig die Rede sein wie bei Nat „King“ Cole. Auch ob der Behauptung, er habe für die primär weiblichen Fans „verhaltene schwarze Sexualität verkörpert“, darf man sich ausschütten vor Lachen. Von verhalten konnte schon keine Rede sein, als er noch Gospelsongs interpretierte und mit so frommem Liedgut bei Teenagern ähnliche Gelüste weckte wie Elvis 1956/57 bei seinen Fans oder Mick Jagger zehn Jahre später bei denen der Rolling Stones.
Die Firma RCA wollte ihn zwar stramm auf Pop-Kurs halten. Deswegen blieb er trotzdem immer ständiger Gast in den obersten Rängen der R&B-Hitparade, faszinierte das Publikum in schwarzen wie weißen Clubs, und für Kollegen wie Otis Redding war er so ziemlich der größte von allen. Als er sich 1962 mal probehalber im Crooner-Fach versuchte und für das „Night Beat“-Projekt (4,5) eine kleine elitäre Mannschaft von Sessionmusikern anheuerte, um unter Mithilfe von Produzent Al Schmitt und Tonmeister Dave Hassinger eine Mischung aus handverlesenen Blues- und Rock’n‘-Roll-Songs, Balladen und Evergreens wie „Nobody Knows The Trouble I’ve Seen“ aufzunehmen, war das nur ein weiterer Beleg für sein Allround-Talent, das sie alle – Ray Charles e tutti quanti – an ihm so bewunderten. „Little Red Rooster“ war die Hit-Single aus dem Bestseller-Album. In Amerika! In England hatte bekanntlich eine andere Band damit ihren zweiten Nr. 1-Hit.
Bei diesem seinem eigenen SAR-Label hatte Cooke natürlich absolut das Sagen, was die von ihm geforderten Talente anging. RCA mochte dagegen zu Lebzeiten weder seine Billie-Holiday-Aufnahmen noch den Mitschnitt eines Konzerts veröffentlichen, das er 1963 im Square Club in Harlem gegeben hatte. Da brachte man statt desselben ein Jahr später lieber die Live-Aufnahme seines Auftritts im Copacabana in New York, bei dem er die Show mit „Blowin‘ In The Wind“ und dem „Tennessee Waltz“ beendet hatte. Erstmals 1985 durfte man über seinen Auftritt im Square Club staunen, der soviel Ähnlichkeit zu dem legendären von James Brown im Apollo aufwies, daß auch kein Nachgeborener mehr am Rang des Mannes zweifeln konnte. „Night Beat“ liegt jetzt remastered in gar so wohltönender Klangqualität vor, wie das Klassik-Fans (die von Henry Mancini sowieso) immer schon von RCA-Autnahmen jener Jahre gewohnt waren. Gänzlich neu gemischt wurde anscheinend der Square Club-Mitschnitt, der jetzt Klassen besser als zuvor klingt – eine ähnlich verschwitzte Soul-Revue wie Otis Reddings „Live In Europe“.
Die „The Best Of Sam Cooke“-LP (3) von 1962, bereichert um drei Zugaben, jetzt mit Original-Cover wieder preiswert zu veröffentlichen, kommt da mehr einer netten nostalgischen Geste gleich. Da ist das 2003 bei Abkco erschienene „Portrait 0f A Legend 1951-1964“ mit 30 Aufnahmen, darunter immerhin auch ein paar wenigen aus seinen Gospel-Jahren. doch entschieden eher erste Wahl.