Cat Power
Das Herz des Südens: Chan Marshall kehrt ins Land ihrer Kindheit zurück „American Flag“ hieß der erste, kürzlich von der wundervollen Scout Niblett in ihrer Fast-Hitsingle „Kidnapped By Neptune“ zitierte Song auf Chan Marshalls alias Cat Powers Meisterwerk „Moon Ptx“ von 1998. Diese Flagge, die im Hintergrund aller Cat Power-Songs zu hängen scheint, ist schmutzig, zerissen, geflickt, angesenkt und durchlöchert. Ein Symbol für amerikanische Songtradition, für uralte Geschichten und Überlieferungen. Sie ging schon durch die Hände von Dock Boggs, Hank Williams, Bob Dylan und Michael Hurley und hat neben weißen auch viele schwarze Streifen. Denn Chan Marshall ist im Süden der USA aufgewachsen, mit Memphis Soul, Funk und R&?B, ihr Vater spielte Gospel und Blues, und die Marshalls unterhielten ihren Musikerhaushalt eine Zeitlang mit Mitgliedern von Mother’s Finest. Klar, daß einige dieser Einflüsse, die auf „The Covers Record“ ihrer Verneigung vor Folk, Blues und Rock‘ n’Roll — noch ausgespart wurden, irgendwann den Weg in ihre Songs finden würden. Nun ist es soweit, Chan Marshall kehrt für “ The Greatest“ ins Land ihrer Kindheit zurück.
„Once I wanted to be the greatest/ No wind or waterfall could stand me/ And then came the rush of the flood/ Stars of night turned deep to dust“, heißt es in den ersten Zeilen des schmiegsamen Titelsongs, der das Album eröffnet. Katrina und die Flut lassen in dieser Gegend niemanden mehr los und haben – in der Besinnung auf das Erbe, das da in den Wassermassen verschwand – zu einer musikalischen Renaissance des amerikanischen Südens geführt: Elvis Costello nimmt ein Album mit Allen Toussaint auf, und für “ The Greatest“ stand der geschmeidige Sound von Memphis‘ Hi Records, der Heimat von Ann Peebles, AI Green, Otis Clay und Syl Johnson, Pate. Greens Songwriting-Partner und Gitarrist Mabon „Teenie“ Hodgers spielt auf dem ganzen Album mit, sein Bruder Leroy ofStax and Hi fame teilt sich mit Memphis Session-Ass Dave Smith die Baßparts, Booker-T-Ersatzmann Steve Potts sitzt am Schlagzeug. Memphis-Bläser und schwelgende Streicher sorgen für zusätzliches Lokalkolorit.
Und Marshalls Gesang war schon immer über jeden Zweifel erhaben, fügt sich in dieses schlanke elegante Backing, als sei sie dort hineingeboren worden. Ein verführerischer kühler Croon ist das hier, dazu setzt sie im Background verspielt Akzente. Ihr Piano führt diese Songs ins Herz des Südens zum Honky-Tonk-Jukeboxfutter, Jslands“ und „Empty Shells“, der berührenden Reminiszenz „Lived in Bars“, der sehnsuchtsvollen Ballade „Where Is My Love“. Bläser treiben den Funk „Could We“ an, monotone Blues-Licks geben „The Moon“ und „Hate“ Form, „Love fe? Communication“ setzt den lauten, rockenden Schlußpunkt, dieses vielleicht besten, ganz sicher gefälligsten und schönsten Cat Power-Albums.
Und auf Chan Marshalls ,American Flag“ scheinen nun zwölf dunkle Sterne mehr, imaTADOR/BEGGARS/1NDIGO. 20.1.) MAIK BRUGGEMEYER