Diverse – The Motown Box/Motown Remixed

Eine kleine Weile war das tatsächlich „the sound of young America“, was Berry Gordy und seine Untergebenen während der 60er Jahre wie am Fließband an Singles und LPs produzierten. Auch dann wieder, als die Jackson Five zu einem der erfolgreichsten Boygroup-Phänomene aller Zeiten avancierten. Zu dem Zeitpunkt war allerdings der Sound, in dem Marvin Gaye, Temptations, Stevie Wonder und andere Stars der Firma ihre neuesten Platten vorlegten, ungleich mehr sophisticated und weit komplexer geworden. Mit dem, was Motown-Fans wie John Lennon, Keith Moon und „Beat“-Kapellen diesseits des großen Teichs am ursprünglichen Sound so schätzten, hatte das nur noch wenig gemeinsam.

Der zeichnete sich zweifellos durch ein hohes Maß an Originalität aus und war jederzeit unverwechselbar im Vergleich zu Soul-Klängen aus Memphis, New York oder Muscle Shoals. Was während der Vinyl-Ara gar nicht so deutlich registriert wurde, fiel spätestens mit Beginn der CD-Ära schlagartig umso mehr auf: Verglichen mit dem, was Firmen wie Capitol und Columbia, Decca und RCA damals an hohem und höchstem professionellem Aufnahme-Standard boten, war das, was Detroit in der Hinsicht zu bieten hatte, von eher bescheidener Qualität. Bei Vinyl-Umschnitten hatte man wie weithin üblich oft noch mit Entzerrung nachgeholfen, um die Aufnahmen „besser klingen“ zu lassen. Dieselben nur 1:1 für CD transferiert enttäuschten oft durch dünnes und blechern scheppernd klingendes Ping-Pong-Stereo. Zwischen frühen Miracles-Evergreens und einem Temptations-Klassiker wie „Papa Was A Rolling Stone“ lagen klangliche Weiten.

Inzwischen verramscht man große Motown-LPs längst nicht mehr in dubiosen „two-on-one“-CDs. Klanglich famos restauriert gibt es seit geraumer Zeit manche, wie Marvin Gayes “ What’s Going On“, auch in sehr ansprechenden Deluxe-Ausgaben. Dieses neue Box-Set ist allerdings darüber hinaus ein Sahneteil der ganz besonderen Art. Denn dafür hat Tom Moulton, ein Crack im Remastering-Gewerbe, viele berühmte Motown-Aufnahmen der Jahre i960 bis 1966 nicht nur neu überspielt, sondern von fast drei Dutzend erstmals ganz fabelhafte Stereo-Remixes erstellt und dabei in einem Aufwasch auch noch viele technische Unzulänglichkeiten ausgemerzt. Das war teilweise eine irre Tüftelarbeit, mehrere im Archiv vorhandene Bänder derselben Aufnahme zunächst im Hochbit-Transfer zu digitalisieren, um den aus den Spuren den optimalen „extended mix“ abzumischen. So waren Supremes-, Four Tops-, Jimmy Ruffin-, Isley Brothers-, Marvin Gaye- und Mary Wells-Klassiker noch nie zu hören!

Für Motown-Fans ist das wegen der vierten, „B-Sides And Rare Stuff“ betitelten CD ein Fest. Ewig nirgends mehr zu haben, gibt es hier die tolle Ballade „Purple Raindrops“, die Stevie Wonder auf der B-Seite der Single „Uptight (Everything’s Alright)“ gesungen hatte, erstmals überhaupt als prima klingenden Stereo-Mix. Und das ist nur eine von einem Dutzend Raritäten von Martha And The Vandellas. Gladys Knight & The Pips, Temptations, Four Tops und Marvin Gaye. Eine der unbekanntesten Aufnahmen hier ist „(Like A) Nightmare“ von den Andantes, eine Holland/Dozier/Holland-Komposition und -Produktion von 1964, nur ganz kurz als Single zu kaufen, wie eine verschollene Doo-Wop-Aufnahme von Frankie Lymon oder eine vorweggenommene der Jackson Five klingend. Fast vergessen zu erwähnen: „Where Did Our Love Go“ von den Supremes gibt’s auch als „extended Stereo mix“ und den Allzeitklassiker „Ain’t Too Proud To Beg“ von den Temptatons im Alternativ-Mix mit Streichern. Eine der absoluten Delikatessen des Box Set: „My Girl“ von den Temptations in längerem, technisch viel besserem neuen Mix. Noch ist nicht alle Hoffnung verloren, daß demnächst auch mal die Four Tops-Aufnahmen zur Gänze remastered in derselben Qualität wie hier bei „Reach Out, I’ll Be There“ kommen. Was Herrschaften wie DJ Spinna, Jazzy Jeff, Paul Simpson, Z-Trip usw. für „Motown Remixed“ (2,5) wiederum aus berühmten Vorlagen wie „The Tears Of A Clown“, „Signed, Sealed, Delivered I’m Yours“, „I Heard It Through The Grapevine“ (Gladys-Knight-Aufnahme) oder „Papa Was A Rolling Stone“ an Mixes für den aktuellen Disco-Gebrauch produzierten, ist – vorsichtig ausgedrückt – Geschmackssache. In Fällen wie „I Want You Back“ der Jackson 5 auch schon mal fad und belanglos. Man kann lange darüber grübeln, was an der Neufassung des Temptations-Ohrwurms ein „soulful remix“ sein soll. Endlos besser klingt allemal der Original-Mix!

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