Kate Bush

Aerial

EMI

Ein Doppelalbum mit beseelten, ätherischen Popsongs

Mmhja. Man ist Kate Bush nicht unbedingt uneingeschränkt dankbar für die Früchte, die ihre Arbeit in den zwölf Jahren ihrer Abwesenheit trug, für all die Sirenen, Kind‘ trauen und Hysterikerinnen, die nie so erschaudernd brillant waren, wie sie selbst es als Brontes Cathy, Peter Pan, Houdinis Frau oder Molly Bloom war. In den letzten Jahren spielte die Bush aber eine ganz andere Rolle, die der Mutter – irgendwo in der englischen Countryside. Natürlich hört man das auf „Aerial“. So ist der erste Teil dieses Doppelalbums „A Sea Of Honey“ überschrieben, der zweite „A Sky Of Honey“. Das Wasser und der Himmel, eingebettet in der Luftigkeit des Albumtitels, die Mutter und der Schöpfer vereint im Sohnemann.

„Aerial“ schließt dort an, wo Bushs vielleicht nicht beste, sicher aber schönste – und weiblichste – Platte, „The Sensual World“, endete. Eine kreisförmige Bewegung, die nichts von der bollernden Zeitgeistigkeit der „Red Shoes“ hat. Ein typisches Bush-Album könnte man sagen, dem man weder die Pause noch musikalisch neue Einflüsse anhört. Ätherischer und ozeanischer Pop, berückende Piano-Balladen und sachter Eso-Funk, in dem Landschaft, Jahreszeiten, Träume und Erinnerungen aufgehoben sind.

Die Single „King Of The Mountain“ eröffnet mit minimalistischen Synthesizern und Beats und entwickelt sich zum hypnotischen, erhabenen Popsong. Der König ist natürlich Elvis Presley, der auf seinem Grab tanzt, während der Wind der Erinnerung weht – „Why does a millionaire fill up his home with priceless junk“. Delektabel. Wie auch der pulsierende Flüster-Art-Rock „π“ über einen in der mathematischen Unendlichkeit gefangenen Mann. Das die Mutterliebe bezeugende, lyrisch redundante, keltische „Bertie“ dämpft die Euphorie, das folgende Pianostück „Mrs Bartolozzi“ ist wieder reizend. Dann ein feiner Can-artiger Funk und ein pluckerndes Johanna-von-Orleans-Porträt. Am bewegendsten schließlich das der verstorbenen Mutter gewidmete ,A Choral Room“ – ein einsames Klavier, ein zerbrochener Krug als Sinnbild der in Scherben liegenden Erinnerung.

„A Sky Of Honey“ erinnert ein wenig an „The Ninth Wave“, den lyrischen zweiten Teil von „Hounds Of Love“. Vogelgezwitscher, der erwachende Junge, Kate Bush und ihr Piano leiten diese lichtdurchflutete Suite ein, die die Reise eines Tages in die Nacht und bis zum nächsten Sonnenaufgang beschreibt. Rolf Harris gibt etwas zu weihevoll den Bordsteinmaler, dessen Bild im Regen zu einem wunderschönen Sonnenuntergang gerinnt. Der anschließende güldene Pianojazz „Sunset“, einer der schönsten Momente des Albums, wird in der Dämmerung zum Flamenco. In „Somewhere In Between“ vereinen sich schließlich Mutter, Kind und Schöpfer, die ozeanischen und ätherischen Elemente im zur Neige gehenden Tag zum beseelten Popsong mit einem fast körperlichem Baß, dann zum leichten Funk „Nocturn“ und zur Absurdität des Titelsongs mit den schmelzenden Blumen, dem Discobeat und dem verhexten Lachen der Bush: „All the birds are laughing/ Come on let’s join in.“

Die Wandlung von der Kindfrau zur Kindsmutter steht Kate Bush sehr gut.