Die Feenwelt :: ROLLING STONE Special

THE KICK INSIDE 1978

Im selben Jahr, als Andrea Jürgens und Nina Hagen in deutschen Wohnzimmern die Milch stocken ließen, kam Kate Bush als jungfräuliches Gespenst aus dem Hochmoor, als quietschende Minnie-Maus-Imitatorin mit Schauspiel-Tick. Im Prinzip ist diese Platte noch heute eine Kuriosität, eine ganz und gar wunderliche Erfahrung. Der Mid-Tempo-Erwachsenen-Pop der Miet-Mucker, der bebende Gesang der Lolita, die bei der ersten Session erst 16 war: Maskulines und feminines Musikmachen trafen selten so hart aufeinander. Einige der besten Bush-Kompositionen überhaupt, neben den Hits vor allem das vergessene „Them Heavy People“. Zeit der frühen Unschuld, voll erotischer Phantasie. Dr. Biolek staunte. 4,0

LIONHEART 1978

Dieselbe Truppe, noch mehr aufgeplüschte Lieder vom Heimklavier, entschieden weniger geheimnisvoll: „The more I think about sex, the better it gets“, singt sie in „Symphony In Blue“, einem von nur drei Stücken, die sie extra für das Album komponierte. Daß Kate Bush zum einzigen Mal vor Jahreswechsel eine zweite Platte veröffentlichte, läßt den Druck erahnen, unter den die Firma sie setzte. Längst nicht so schlecht, wie oft gesagt wird, hat aber einige langweilige Lieder und mißglückte Experimente: das Musichall-Stück „Coffee Homeground“ („Schnitzel, wunderbar!“) und den Titelsong, eine platte England-Nationalhymne. 3,0

NEVER FOR EVER 1980

Der bis heute andauernde zweite Teil der Karriere beginnt: Mit 22 steht Kate Bush am Dirigentenpult, ist Co-Produzentin, sagt den Musikern, was sie tun sollen. Sie ist keine Klavier-Sängerin mehr, schreibt viele Stücke erst im Studio um Motive herum, die unter anderem am Fairlight-Synthesizer entwickelt werden, einem frühen Sampler. Fast jeder Song hat seine abstrakte, theatralische Farbe und Stimmung: wasserdunkler Alptraum für „Babooshka“, zirpender Gewehr-Walzer für „Army Dreamers“, bizarrer Kieks-Rock für „Violin“. Manche Songs haben hinter dem Sound wenig Substanz, trotzdem das erste britische Nummer-eins-Album einer britischen Künstlerin. 3,5

THE DREAMING 19S2

Die Platte, mit der man alle in die Flucht schlagen kann, der härteste Bush-Stoff überhaupt – und obwohl es mittlerweile schick ist, das seinerzeit verachtete „Dreaming“ zu rehabilitieren: ein wirklich aufregendes, waghalsiges, freilich anstrengendes Album. Bush erfindet Ethno-Prog, mit Burundi-Getrommel und irischen Pfeifen, kachelt die Lieder mit ihrer Stimme, die aus allen Ecken hallt, greint und wie ein ganzer Indianerstamm schreit, der von Flugameisen attackiert wird. Das erste Mal produziert sie allein und kann alle irren Gedanken festhalten, ohne dabei die äußere Form zu vernachlässigen: Die Lieder sind überkandidelt und komplex, aber bestens durchdacht. 4,0

HOUNDS OF LOVE 19S5

Statt weiter ins Obskure abzudriften, konzentrierte sie alle ihre Stärken und schuf (als erste Amtshandlung im gemütlichen Heimstudio) ihr Meisterwerk, zugleich eine Referenz-Platte des gitarrenlosen 8Oer-Pop und ihr größter Verkaufserfolg. Auf wundersame Art kommen Inspiration und Kunsthandwerk zusammen, werden ihre seit Jahren besten Lieder wie „Running Up That Hill“ und „Cloudbusting“ durch die erblühte Produzenten-Phantasie zu fremd funkelnden Traum-Gebilden, handfest getrommelt, luftleicht gesungen. Die Alarmglocken schrillen bei der zweiten LP-Seite, dem Konzept-Zyklus über eine ertrinkende Frau, doch auch dies ist zugänglicher, zerbrechlich unpompöser Art-Pop. 4,5

THE SENSUAL WORLD 1989

Ihr weiblichstes Album, sagte sie damals, und das bedeutet hier: ihr musikalisch konventionellstes, fluffigstes, und das erste, dem man den Zeitgeschmack anhört. Typische End-80er-Mischung aus exotischen Chorschwaden, bundlosem Baß und programmierten Spuren. Obwohl die Songs teils toll sind, sinkt sie langsam in den Kitsch, den der Damenfriseur empfiehlt. 3,0

THIS WOMAN’S WORK mo

Die Alben-Box, empfehlenswert wegen der zwei Bonus-CDs mit Raritäten: die Weihnachts-Single „December Will Be Magic Again“, die Live-EP „On Stage“ und mehr.

THE RED SHOES 1993

Dem Progressiven schien sie völlig verloren zu sein noch eine Platte für breite Hörgewohnheiten mit ebenso vielen Höhe- wie Tiefpunkten. Gut: der Soul-Rock „Rubberband Girl“ und das Orchesterstück „Moments Of Pleasure“. Schlecht: „And So Is Love“ mit Claptons lustlosen Licks. Bizarr: die Prince-Kollaboration. Das Banale steht Kate Bush nur so mittel. 2,5

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