Leon Redbone – The Olympic Theater
Sein Repertoire überschnitt sich zunächst teilweise mit dem von Ry Cooder. Von Blind Blakes „Diddy Wa Diddie“ und von „Big Bad Bill (Is Sweet William Now)“ nahmen beide höchst originelle Cover-Versionen aut. Irgendwann hatten sie dann dieselben Probleme: Als erst einmal der Vorrat an eigenen Lieblings-Oldies aus der ersten Hälfte des 2O.Jahrhunderts aufgebraucht war, mußten sie zunehmend eigene Songs schreiben.
Wie Cooder bediente sich nämlich auch dieser ziemlich mysteriöse Sänger mit dem Groucho-Marx-Schnauzer nicht großzügig aus dem Fundus des Great American Songbook, das so viele plünderten. So einfach machte es sich Leon Redbone nie.
Ein paar Irving-Berlin- und Hoagy-Carmichael-Songs nahm er zwar auch auf, aber nicht die üblichen geläufigen, sondern ausgefallenere. Und die anderen von Fats Waller, Jelly Roll Morton, Jimmie Rodgers, Bing Crosby und Hank Williams waren garantiert nicht gerade in Mode, als der Exzentriker mit der Tuba Anfang der Siebziger in den Clubs von Toronto zu spielen begann. Seine Markenzeichen waren weiße Anzüge, Safari-Helm und dunkle Brille. Wenn er den luvah aus Stummfilmzeiten mimte und zwischendurch auch mal ganz wundervolle Schnulzen sang, dann mit einem so untergründigen Humor, wie man das nie vorher oder nachher von jemand anderem hörte.
Der Mann, der von sich selber behauptete, er sei in Bombay während der Monsun-Periode als Sohn von Paganini und Jenny Lind geboren worden, war nebenbei auch ein begnadeter Komiker. Die Country-, Ragtime-, Jazz- und Pop-Vorlagen sang er alternativ aber öfter auch absolut straight. Jelly Roll Mortons „I Hate A Man Like You“ so, als ob er es blutig ernst meinte mit den mordlüsternen Gedanken über seinen Rivalen. Da er nach den Warner Bros.-Jahren, in denen seine häufigen „Saturday Night Live“-Auftritte die LPs auch in die Hitparade brachten, die Plattenfirmen des öfteren wechselte, sah man bei seinem ersten Label wohl keine Notwendigkeit, mal ein Best-of-Destillat vorzulegen. Dieser Mitschnitt aus dem Pariser Olympia ist kein schlechter Ersatz dafür, ihn damit zu erleben – live. Er wußte, was er dem Publikum dort – Ende Oktober 1992 schuldete. „Ain’t Misbehavin“ fehlt so wenig wie „Shake That Thing“ oder die hübsch jazzig musizierte Schulze „Marie“, und seine an alle vom Leben Gebeutelten zur Aufmunterung adressierte Ballade „So, Relax“ ist der Rausschmeißer. Danach klatschte das Pariser Publikum hingerissen Beifall: Dort liebt man diesen schrulligen Exzentriker.