CocoRosie
Noah’s Ark
Touch And Go Records 2005
Die idiosynkratischen Schwestern öffnen wieder die Kinderzimmertür
Es war eigentlich die Geschichte des letzten Popjahres. Zwei ungleiche Schwestern, die eine, Sierra, klassisch ausgebildete Sängerin und Musikerin, die andere, Bianca, wild kreatives Hippiekind, finden nach Jahren in einem Pariser Appartement zusammen, nehmen mit Harfe, Gitarre, Klavier und einem Sack voll Kinderspielzeug (Polizeisirenen, winzigen Plastikkeyboards, sprechenden Puppen) ein traumhaftes LoFi-Album auf, „La Maison De Mon Reve“.
Ihr zweites Werk widmen die beiden Cassady-Schwestern ihrer Mutter, einer Stierkämpferin, die in der Zigeunerkommune Saint Marie de la Mere in Südfrankreich lebt. Und sie scheinen einiges geerbt zu haben von ihr, sammelten die Musik für „Noahs Ark,“ auf ihren abenteuerlichen Reisen und hierzulande umjubelten Tourneen, schrieben neue Songs, performten sie, ließen neue Freunde ihren Teil beitragen, bändigten torerogleich die Einflüsse zu einem homogenen Stilmix, der an den Vorgänger anknüpft, ohne ihn zu reproduzieren.
Zu den Gästen gehören die human beat box Spleen, Biancas Freund Devendra Banhart und vor allem der Hermaphrodit Antony, der „Beautiful Boyz“ (das er mittlerweile auch bei seinen eigenen Konzerten spielt) durch seinen jenseitigen Gesang zum besten Song des Albums macht. Überhaupt ist „Noah’s Ark“ immer dann besonders gelungen, wenn die Kinderzimmertür in der idiosynkratischen Welt der beiden Schwestern aufgestoßen wird, wenn Spleen im ersten Stück „K-hole“ oder im Titelsong den Beat liefert, in „Bisounours“ auf französisch rappt, während Antony im Hintergrund deriliert, wenn Devendra Banhart im halbminütigen „Milk“ fleht und im wunderschönen, Fado-ähnlichen „Brazilian Sun“ durch den Vocoder quäkt, wenn die Grillen zirpen in „Armageddon“ und der Chor Biancas autistisches Nuscheln durchbricht.
Eine Vereinigung aller Arten und Gegensätzlichkeiten unter einem Dach – der kleinen und der großen Tiere. Dies ist die Arche Noah des alternativen Pop.