Willie Nelson – Countryman
Das kann passieren, wenn zwischen den ersten Sessions für ein Album (damals in Los Angeles mit Don Was) und seiner Fertigstellung (neulich auf Jamaika mit Richard Feldman) runde neun Jahre ins Land gegangen sind, zu schweigen von den unzähligen Joints, die in dieser Zeit verrauchten. Im Booklet bittet Willie Nelson pro forma lieber gleich um Pardon bei allen, die zwar bei den Aufnahmen für „Countryman“ zugegen waren, aber keine Aufnahme fanden in die Credits des fast schon sagenumwobenen Reggae-Albums, das so lange auf Eis lag. Wegen anderer Projekte, eines abtrünnigen Mentors (Chris Blackwell), der falschen Firma.
Die Musik selbst kennt solche Löcher nicht. Beziehungsweise nur die, die Willie und sein gutes Dutzend Freunde ganz bewußt gegraben haben. Und die sind nicht sonderlich tief. Will sagen: Ein bißchen mehr Mut in der Dub-Disziplin hätte diesem gar nicht so dreckigen Dutzend womöglich nicht geschadet. Andererseits sind Songs wie „Do You Mind Too Much If I Don’t Understand“ (fast Ska-schmissig), „Darkness On The Face Of The Earth“ und „Undo The Right“ schlicht zu und erst recht schön, als daß irgendwelche Exzesse dienlich wären. Ab und an irrlichtert Willie auch mit seiner Akustischen durch die Gegend, doch ist es vor allem Robby Turners feine Pedal-Steel, die Songs wie „How Long Is Forever“ und „Something To Think About“ die kleine Extraportion Tiefe und Wärme gibt.
Klassisches Country-Material im Off-Beat, so lautete also die Strategie für „Countryman“. Doch ganz ohne die andere Variante kommt Nelson auch nicht davon. Wieder mal muß Jimmy CLiff herhalten: „Sitting In Limbo“ und „The Harder They Come“ – klar, eigentlich durch, die Nummer, aber so akustisch kann man’s noch mal bringen. Gitarre, Harp, ein bißchen Dobro, Frauenstimmen. Und noch eine Variante: Toots Hibbert als Gast in „I’m A Worried Man“, der Johnny Cash/ June Carter-Komposition.
Doch keine Bange: Trotz mancher Sorgenfalte in den Texten eignet sich diese Willie-Kollektion durchaus für laue Abende am Baggersee, mit oder ohne Tüte. Schade bloß, daß die Saison dafür fast schon wieder vorbei ist.