John Hiatt – Master Of Disaster
Geboren in Indianapolis, Indiana. Da ist Benzin in der Luft, und ein Gefühl für angemessenes Tempo stellte sich beim kleinen John wohl schon bei der ersten taumelnden Runde um den elterlichen Eßtisch ein. Sein „Indy 500“-Idol Mario Andretti machte im schnellsten Oval der Welt mit eisernem Fuß Gas, doch Hiatt weiß natürlich, daß es im Rock’n’Roll nie nur darum geht, möglichst fett schwarzes Gummi auf den Asphalt zu massieren. Und so findet der Hobby-Rennfahrer auch auf seinem 21. Album wie traumwandlerisch bei jedem Song die richtige Pace.
Für satt im Blues ankernden Country-Rock wie den tollen Titeltrack oder die feine Folk-Klassik mit Harp-Politur aus Duluth („When My Love Crosses Over“) mögen ja keine La Olas von den preiswerten Rängen zu ernten sein, Genießer jedoch finden hier mehr hochoktanigen Stoff als in jeder Highspeed-Orgie. Und wenn Hiatt dann doch mit grollendem Baß und wuchtigem Getrommel an den Start geht, mit komprimierter Stimme energisch in den Overdrive wechselt und zum Mähneschütteln in den Moshpit bittet, ist das einfach eine schöne Abwechslung nach so viel Picking und Slide und Rhvthm-&-Blues-Tradition. „Love Is Not Where We Thought We Left It“: Hier dürfen auch mal Luftgitarristen. Daß Hiatt und seine gewieften Beifahrer Cody und Luther Dickinson (North Mississippi Allstars) sowie David Hood (Muscle Shoals) ihre Kilowatt so drehmomentmächtig durch die heimische Boxengasse katapultieren, liegt wohl auch daran, daß der Co-Pilot Jim Dickinson den Sound im „Sonoma-24 Direct Stream Digital Recording“-Studio tunte. Aha, hmmhmm, soso, Tech-Details soll da ergründen, wer mag. Fest steht: Es funktioniert! Diese elf Nummern tönen vor allem unter dem Kopfhörer, als ließe der Meister einen langhubigen Big-Block direkt neben den Ohren warmpoltern. Und wenn er nach rund 50 Minuten die Flagge passiert, hat John Hiatt weder die schärfsten Kurven gefahren noch Bestzeit in Sektion 4 – aber dennoch in Sachen Gesamt-Performance Nikis Laudatio redlich verdient.
