Stephen Stills – Man Alive
Diesen Titel ziehen wohl 99 Prozent der alten Zausel in Erwägung, die nach langer Abstinenz ein Comeback wagen. Fast alle schreckt die wichtigtuerische Platitüde endlich entscheidend, nicht Stills. Vorab-Indiz, daß ihm nach dem puristischen Akustik-Werk „Stills Alone“ (1991, mit einer tollen Version von Lennons „In My Life“) wieder einmal die Selbstkritik abhanden gekommen ist? Nervt er, wie schon vor allem in den 70er Jahren, mit einem Solo voller mittelprächtiger Fingerübungen, mit lebloser Anmaßung ohne Korrektiv? Der Knoblauch kann im Schrank bleiben!
Allein „Different Man“ ist den Gang zur Kasse wert. Der Session-Song rauscht wie irre, hat aber mehr Leben als die zwölf crispen Studio-Nummem zusammen. Auch, weil hier Neil Young an Stills‘ Seite ist, der Antipode aus Zeiten von Buffalo Springfield und Crosby, Stills, Nash & Young. Wenn sich diese Stimmen vereinen, Neils Gegreine und das kehlige Krächzen von Stephen, wenn die Gitarren singen und knirschen und Text-Partikel wie „I’m older now“ oder „stay for a while“ verständlich werden, glauben wir plötzlich an die Lernfähigkeit aller Egomanen, zumindest für 2:14 Minuten.
Der Rest ist ein doch heterogenes Gemischtwaren-Angebot. Da gibt es soliden Rockismo-Radau mit knurrenden Marshalls („Round The Bend“), den fast archetypischen ZZ-Top-Shuffle „Drivin‘ Thunder“, Oldestschool-Soul („Old Man Trouble“). Funkiges („Around Us“), Volkstanz-Hopsassa („Acadienne“) und leider niedliche Gutmensch-Riddims mit Steeldrums, die sich für die große Bühne beim nächsten Geldof-Event anmelden („Feed The People“). In all dem Stil-Tohuwabohu präsentiert sich der Mann aus Dallas natürlich als überaus versierter Saiten-Instrumentalist. Daß am Ende aber nicht nur Kunsthandwerkliches entstand, verdankt er seinem lieben alten Feind aus Toronto.