The Tears – Here Come The Tears
Als ob in einer englischen Pendler-Vorstadt ein Kanaldeckel offensteht und darunter ganz zufällig die griechische Unterwelt beginnt, golden gebrochenes Licht von unten durch den Fadenregen sticht, aufgegeilter Zentauren-Gesang emporschwallt. Oden die überraschende Wiedervereinigung der zwei Männer, die im Prinzip die Band Suede waren. Ein Grund zum Haareraufen. Ein Grund, um sich alte Herzwunden mit Martini auszubrennen.
Viele werden erschaudern bei dem Gedanken, weil Suede sich immer so offensiv lächerlich gemacht haben mit ihrem perlhühnerhaften Einherschreiten und ihrem Lippenlecken, und diese Leute seien gewarnt: The Tears klingen exakt so glorios, sind im Vergleich zu früher sogar noch sorgloser dabei, Sahne und preiswerten Champagner zu verspritzen und die überheblichsten, verliebtesten Dämlichkeiten zu behaupten: „All the silly things we do/ Remind me of die flippancy of youth“, singt Brett Anderson – der bös auf die 38 zugeht – in „Lovers“, einem der 13 Stücke, die er nach der Versöhnung im Londoner Kämmerchen mit Bernatd Buder (35) aufgenommen hat, solange die Kinder in der Schule waren.
Was sie vor zwölf Jahren in schiefe Metaphern mit Fleischverkäuferinnen und Pantomimen-Pferden wickeln mußten, wird jetzt pfeilgrad gesagt: daß man als von der Welt verstoßenes Pärchen übers Meer fliegen mag, weil in Afrika die Sonne scheint, daß es gar kein Partnerschafts-Hemmnis ist, wenn die Küsse nach Orangenschokolade schmecken, und daß es irre schwer ist, eine abgelaufene Liebe zu vergessen. Was Männer Mitte 30 alles wissen!
Suede gebührt das gar nicht so kleine Verdienst, den britischen Glam-Rock als Schaumtraum entlarvt zu haben, der in Betonblocks geträumt wird. Und Butler (der noch vor der zweiten Platte ging) hat am Ende so sehr gefehlt, und was für ein übergroßes Glück, daß seine Gitarre noch immer wie ein magerer Mann in Tigerwäsche stolziert und sich gelegentlich wie eine ganze Philharmonie aufspielt. Weil ein echtes Orchester bei solchem Quatsch ja nie mitmachen würde. Heldentenöre im Regen, ein brillanter Laufsteg für häßliche Kerle, die gern die Hand in die Hüfte stemmen, und für schöne Frauen, die fälschlicherweise glauben, ihre Nase wäre zu groß. Machen Sie sich darauf gefaßt, auf Nimmerwiedersehen wegzuschmelzen.