Ryan Adams
Cold Roses
Mercury (Universal)
Ein grandioses Doppelalbum von dem schaffenswütigen Songschreiber
Die Leichtigkeit und das Tempo, mit denen Ryan Adams seine Platten aufnimmt, haben etwas Befremdliches: Für dieses Jahre sind noch zwei weitere Alben angekündigt; „Cold Roses“ ist ein Doppel-Album. Nicht nur düpiert Adams ökonomisch die Konkurrenz – er beschämt sie auch mit gleichsam traumwandlerisch verblüffenden Leistungen auf höchstem Niveau. Es mögen einige der auf zwei EPs verteilten Songs von „Love Is Hell“ verzichtbar gewesen sein – in der Summe, also der integrierten CD-Fassung, fügten sie sich zum mindestens zweiten Meisterwerk nach „Heartbreaker“.
Das dritte ist „Cold Roses“. Adams ist ein begnadeter Schlawiner, der die Ideen von überall her klaut, bloß groß müssen sie sein: Neben Dylan und Springsteen belehnt er gern auch Leonard Cohen, die Rolling Stones, Neil Young und, jawohl, Noel Gallagher. „Magnolia Mountain“, das erste Stück hier, verdankt sich offenbar den Filmtiteln „Cold Mountain“ und „Magnolia“ (wahrscheinlich hat Adams die Filme gar nicht gesehen) sowie Neil Youngs Frühwerk „Sugar Mountain“ – und es ist sofort unwiderstehlich mit dem Refrain „Will you lie to me/ Will you take me to your bed/ Sing me a song/ Until morning comes“, sehnsüchtig gesungen zu lieblicher Melodie. „When Will You Come Back Home“ ist eine typische „Heartbreaker“-Ballade, „Beautiful Sorta“ ist das Gelände von „Harder Now That It’s Over“, „How Do You Keep Love Alive“ ein exemplarisches Adams-Grübellied.
Auf der zweiten Platte sind die noch besseren Songs versammelt. Es ist ein Americana-Fest, zu dem Gram Parsons geladen ist, Crosby, Stills & Nash und eben auch Neil Young, alle in „Cold Roses“ zugegen, einem unverschämten Stück Eklektizismus, einer amerikanischen Roots-Jukebox. „Easy Plateau“ ist eine schwelgerische, schwebende Ballade, „Let It Ride“ galoppiert ohne viel Western-Ballast oder die religiöse Schwermut von Sixteen Horsepower, „If I Am A Stranger“ rockt mit Steel Guitar.
Die Cardinals übrigens bestehen aus dem Gitarristen J. P. Bowersock, dem Trommler Brad Pemberton und zwei Frauen mit (angeblich) schönen sprechenden Namen: Cindy Cashdollar an der Lap Steel Guitar und Catherine Popper am Baß, ein ebenso kompaktes wie brillantes Ensemble. Ein wenig Klavier wird auch wieder gespielt, etwa bei dem Liebeslied „Blossom“, das Adams abermals als gemütvollen Süßholzraspler ausweist. Das hymnische „Life Is Beautiful“ ist erhebender Heartland-Rock mit Crazy Horse-Gitarren und dem Pathos eines Songs von Robbie Robertson.
Natürlich dreht sich der Wind der kritischen Betrachtung nun gegen Adams, denn allzu nonchalant und zugleich abgeklärt schüttelt er die Licks aus dem Ärmel. Doch man lasse sich nicht irremachen: Der Wunderjunge, nicht mehr ganz jung, ist noch nicht leergeschrieben. „Cold Roses“ kommt einem verdammt vertraut vor eine Platte wie eine Zeitkapsel, ein Filmzitat. Ein Glück.