Clem Snide – End Of Love
Der Kummer verliert ganz schön an Wert, wenn alle Kummer haben. Wo immer man den Kopf hängen läßt, hängt schon ein anderer, und auch die Kunst hilft nicht weiter, denn auch da: alle modisch zerrissen, immer Tod, Tod, Tod, bis man nicht mal mehr Lust zum Sterben hat Hier haben wir allerdings einen Dichter, der sich auf seinen Schmerz nicht viel einzubildet. Und dafür natürlich auch wieder bemitleidet werden mag. Einen, der kurz vorm Heulen ist und trotzdem über die Tränen der anderen spottet, eine Haltung, die in ihrer Großartigkeit kaum zu überbieten ist Eef Barzelay, der jüdische Hank Williams, Sänger der etwas unbeholfenen und unterambitionietten Country-Pop-Band Clem Snide aus New Jersey. Sein Manifest heißt „End Of Love“, das fünfte und beste Album.
Und wie immer bei richtig guten Platten kann man sich entscheiden, ob man nur den Gitarren zuhört, die Anzüge zu tragen scheinen, dem traurigen Twang und dem Gesang des kränklichen Cafe-Cowboys Barzelay. Ob man sich davon einen regnerischen Karfreitag verbittersüßen läßt und sozusagen die halbe Rettung annimmt, die einem die Platte hinhält Oder ob man sich aufmerksam alles von ihm erzählen läßt, in „Collapse“ von den Pädophilen, die „“You’ve Got A Friend“ singen, und von den Schauspielern, die sich über die Depressionen der Figuren beschweren, die sie spielen sollen. Vom schlechten Gewissen gegenüber dem Heiland im „Jews For Jesus Blues“, der mit dem klugen Gefühl endet, wie sehr man als Erlöster das Verdammtsein vermißt Man wünscht sich eine Unze der emotionalen Intelligenz, mit der der Erzähler in „Something Beautiful“ aus Liebeskummer ganze Landstriche ausrottet und sich in „Weird“ über eine selbstgemachte Risikobiographie totlacht Wenn einer so dekorativ am Abgrund herumsteht, macht er sich zwar wenig Gedanken über Ewigkeitskategorien, aber das sind alles definitive Songs.
Der absolute Gipfel ist „The Sound Of German HipHop“: eine Assoziationskette im Hotelbett, die vom Deutsch-Rap zu apokalyptischen Visionen fuhrt, zur Arche Noah und gruseligen Zeichen am Himmel. Larmoyanz leuchtet und Düsternebel werden klar, wenn einer sie mit solcher Sprachmacht besingt „End Of Love“ ersetzt einem das Heul-Tüchlein und die Gesellschaftskolumnen sämtlicher europäischer Tageszeitungen, und wenn ich Eef Barzelay dafür knutschen könnte, hätte ich es längst getan.