Die Dolmetscherin :: Start 14, 4.
Der Mann traut der Frau nicht. „Auch ich hätte nichts dagegen, wenn er weg wäre“, sagt sie. „Also tot ?“, hakt er nach. „Das sind zwei verschiedene Dinge. Sonst gäbe es die UNO nicht“, antwortet sie. „Sie spielen mit Worten, Ma’m“, erwidert er. Woraufhin sie ihn rhetorisch fragt: „Warum klingen Männer mit Waffen immer gleich wie Cowboys?“
Es ist ein kurzes Gespräch, als die beiden sich das erste Mal begegnen, die UNO-Dolmetscherin Silvia Broome (Nicole Kidman) und der Agent Tobin Keller (Sean Penn) vom amerikanischen Secret Service. Clever faßt der Dialog indes zusammen, wovon Sydney Pollacks Polit-Thriller handelt: Die brisante Situation, in der beide sich befinden und damit das diplomatische Dilemma, in das die UNO stets gerät, will sie versuchen ihrer Aufgabe gerecht zu werden. Nützen Worte mehr als Waffen?
Sie hat zufällig ein Gespräch in einem Dialekt des afrikanischen Staates Matobo mitgehört, das zu dem Verdacht fuhrt, auf den Diktator Edmund Zuwanie solle ein Attentat verübt werden. Der will in New York vor der UNO sprechen, um sich einer Anklage wegen Völkermordes vor dem internationalen Gerichtshof von Den Haag zu entziehen. Keller muß für Zuwanies Überleben sorgen, obwohl die USA ihn selbst beseitigt hätten.
Der Plot verläuft nach klassischem Muster, dem Ringen mit Fakten, Fragen und Finten gegen die Zeit. Wer hat warum Interesse an Zuwanies Tod und die Möglichkeit, es zu erreichen? Es werden Verdächtige herausgefiltert und beschattet, Gefahren analysiert, Sicherheitsmaßnahmen getroffen. Pollack setzt unaufgeregt diese Spannungsmomente um, zieht die Fäden langsam enger und geschickt das Tempo an, wenn Silvia etwa mit einem Exilpolitiker Matobos in einem Bus zusammentrifft, in den auch ein vermeintlicher Attentäter steigt, was die Ermittler verwirrt.
Neben diesem souverän inszenierten Thrill jedoch sind vor allem die beiden Hauptcharaktere angelegt, die sich gegenseitig mißtrauen. Keller, der erst gerade seine Frau bei einem Autounfall verloren hat, symbolisiert die USA nach 9/11. Und Silvia verkörpert die UNO, auch in ihren Widersprüchen. Zuwanies Leute haben ihre Familie getötet „Rache ist eine bequeme Form der Trauer“, sagt sie. Doch die Ohnmacht, nicht gegen Unrecht vorgehen zu können, spürt weltpolitisch auch die UNO.