Southside Johnny – I Don’t Want To Go Home/ This Time It’s For Real
Dass aus New Jersey Gutes kommen konnte, hatte sich 1976 herumgesprochen. Ein Jahr vorher hatte Kritiker Jon Landau eine Vision gehabt (nämlich die Zukunft des Rock ’n‘ Roll gesehen). Die ganze Kontroverse um das vermeintlich ä la Phil Spector etwas überproduzierte „Born To Run“ verebbte langsam, und mittlerweile herrschte dann doch der Konsens, dass dieser Bruce Springsteen ein ausnehmend großes Talent sei.
Davon besaß auch der Kollege John Lyon eine Menge. Von dessen Asbury Jukes hatte sich Miami Steve Van Zandt verabschiedet, als Springsteen rief. Aber er half bei der Produktion von deren ersten Platten nach besten Kräften aus, und beim Columbia-Sublabel Epic setzte man große Hoffnungen auf Southside Johnny und die Asbury Jukes. Was da alles von Anfang an schieflief, lässt sich im Nachhinein glasklar benennen. Aber das erkannte damals niemand, am wenigsten der „Boss“, der bei den ersten LPs ein paar seiner frühen Songs beisteuerte und es damit nur gut meinte. Genau genommen war das Debüt schon bei seiner Veröffentlichung ein völliger Anachronismus, nämlich retro zu einem Zeitpunkt – die Punk-Rocker probten gerade sehr erfolgreich für eine Weile den Aufstand -, als das wirklich nicht angesagt war.
So was wie Steve Van Zandts komischer (und wirklich toller) Rhythm & Blues-Song „How Come You Treat Me So Bad“ hätte jederzeit besser auf ein Ry-Cooder-Album gepasst – und dort auch unendlich besser geklungen! Mit Ray Charles‘ „I Chose To Sing The Blues“, dem kleinen Solomon-Burke-Hit „Got To Get You Off My Mind“ und Buster Browns „Fanny Mae“-Blues klang das alles ein wenig nach Oldies-Revue. Springsteens im Duett mit Ronnie Spector gesungenes „You Mean So Much To Me“ halt irgendwo auch. Ganz bewusst sollten die Bläser-Arrangements wohl an die großen Jahre des Memphis-Soul im allgemeinen und der Stax/Volt-Ara insbesondere erinnern. Ulkig nur, dass ausgerechnet Steve Croppers „Broke Down Piece Of Man“ weit eher an Motown-Soul gemahnte. Ein Aha-Erlebnis also für Kritiker und alle, die bei solchen viel versprechenden Erstlingswerken gern in Erinnerungen schwelgen, aber sicher nicht der Beginn eines R&B-Revival oder einer großen Karriere für die Asburyjukes, Mehr Springsteen-Beiträge gab es beim zweiten Album (wobei dessen „Love On The Wrong Side Of Town“ ein bisschen nach Doc Pomus/Mort Shuman-Klau klang, zugegeben: sehr gutem!) und illustre Gäste bei mehreren Aufnahmen, wie Coasters, Drifters und Five Satins-Sänger Fred Parris bei der tollen Ballade „First Night“. Diese ganze 50er-Jahre-Nostalgie von Miami-Steve-Songs wie „She Got Me Where She Wants Me“ war betörend, und ganz groß die Tex/Mex-Ballade „Little Girl So Fine“ aus der Feder von Springsteen und Van Zandt.
Damit meinten sie es alle, wie der LP-Titel unterstrich, diesmal ernst, und tatsächlich war das die noch hervorragendere, auch noch besser produzierte Songkollektion. Aber zu einem gewissen Kult-Status brachte es der Sänger mit seiner Band trotzdem mehr im fernen England als zu Hause, In Deutschland reichte es immerhin für ein orgiastisches „Rockpalast“-Gastspiel. Jetzt zum „twofer“ von der auf Oldies spezialisierten englischen Firma gekoppelt, zeichnen sich die Aufnahmen durch eine gegenüber den Epic-CDs drastisch höhere Klangqualität aus.