The Hidden Cameras
Mississauqa Goddam
Sympathisch pornografischer, extrem opulenter Kirchen-Pop
Joel Gibb, der Mastermind der Hidden Cameras, bestritt kürzlich in Berlin das Vorprogramm seines Label-Kollegen Adam Green: sehr ruhig, fast unplugged, begleitet von zwei weiteren Mitgliedern der Cameras an Cello und leisen Geräuschen.
„Doot Doot Ploot“, der Opener dieses zweiten offiziellen Albums der kanadischen Band, ist das totale Gegenteil des eher introvertierten Auftritts: ein mitreißender Ohrwurm, so optimistisch und sonnig wie eine Postkarte aus Trinidad. Wenn der Chor die lautmalerische Titelzeile endlos wiederholt möchte man sich die Kleider vom Leib reißen und baden gehen – wenn der Sommer einen ließe. Viele der Arrangements hören sich tatsächlich an wie Auszüge aus einer Teenageroper der 60er Jahre – reichlich Streicher, volltönende Chöre.
In „That’s When The Ceremony Starts“ arbeitet die Band mit einer hinreißenden Laut-leise Dynamik voller Dramatik. Der Text spielt mit christlichen Bildern, ist aber für Nichtkenner religiöser Metaphoriken nur schwer zu entschlüsseln. Immerhin gelten die manchmal bis zu 17 Musiker der Hidden Cameras in Kanada als Vertreter der Gay Church Folk Music, selbst Auftritte in Kirchen sind ihnen nicht fremd. Gigs in Sex-Kinos allerdings auch nicht Herrlich ist in dieser Hinsicht auch der schon als Titel tolle und sympathisch pornografische Song „Music Is My Boyfriend“. Untermalt von jinglejangelnden Gitarren und Chören, die auch von Polyphonic Spree stammen könnten, heißt es da: „I found music/ And he found me / I gave him some tambourine / He gave me a scream / I washed his dirty underwear / He made me toast / Music filled my mug with vaseline/ I gave him a choke.“ Hört sich an, als sei schwuler Porno-Gospel-Beat-Crossover das neue Ding. „Mississauga Goddam“ verbreitet eine ansteckende, optimistische Stimmung. Wer die hymnische Seite von Belle 8i Sebastian liebt und die opulenteren Stücke der Smiths zu schätzen weiß, wird dieses Album sehr wahrscheinlich lieben.