Stockholm Syndrome – Stockholm Syndrome
Na, wer hat sich denn da gefunden, im Namen des legendären Bankraubs von 1973, dessen Rekapitulation später in psychologischen Studien zutage fördern sollte, dass sich Geiseln auch reichlich paradox verhalten, nämlich durchaus identifizieren können mit ihrem Peiniger, der so euphemistisch immer „Nehmer“ genannt wird. 30 Jahre später nehmen sich US-Songwriter Jerry Joseph und Bassist Dave Schools (Auszeit bei Widespread Panic) die Freiheit, ein paar Mitstreiter zu engagieren, die nur Insider sofort identifizieren. Nämlich: Funk-Gitarren-Maestro Eric McFadden (George Clinton etc.), Westcoast-Drummer Wally Ingram (David Lindley, Timbuk 3 etc.) und Danny Dziuk. Genau: Dziuk wie in Dziuks Küche. Aus Berlin. Jetzt auf den Bahamas. Aber meist „nur“ als Keyboarder.
Wie dieses Syndrome funktioniert? Oft erstaunlich unkompliziert. Freistil halt. „Bouncing Very Well“ singen sie freudig, getrieben von lockerem Karibik-Vibe. Das Cover von „Couldn’t Get It Right“ (Climax Blues Band) passt anschließend wie die Faust aufs Auge. Das da vorher niemand drauf gekommen ist! Dziuk orgelt und orgelt, McFadden darf sich mal austoben, Sänger Joseph bleibt trotzdem angenehm distinguiert. Könnte ewig weitergehen. Wie wär’s mit einem Dance-Mix fürs Clubland? Der Reggae „Sack Full Of Hearts“ hätte auch zu The Clash gepasst. Obschon: Die hatten ja weder Mandoline noch Melodica.
Das klingt schon jetzt reichlich zusammengewürfelt? Ist es auch, aber nicht unangenehm oder gar angeberisch und nur manchmal ein bisschen beliebig. „Tight“ macht in Southern Soul, Songs wie „One In My Hand“ und „White Dirt“ pflegen eher den narrativen Stil, den man von Joseph solo kennt. „Purple Hearts“ bringt ein swingendes Wiederhören mit Anne Richmond-Boston.
Klar, gerockt wird auch, breitbeinig, mit Funk-Einschlag und manchmal echt schweinisch. Für „Princess Cruise“ zeichnet dann sogar Dziuk als Autor mitverantwortlich. Vermutlich hatte er gerade mit einem noch unentdeckten Syndrom zu kämpfen, so fern der Heimat und doch so nah am Paradies.