The Searchers – The Definitive PYE Collection
Den künstlerischen Zenith ihrer Karriere erklommen diese nicht ganz so Fabulous Four aus Liverpool, als Seymour Stein ein paar Dollar mehr hinblätterte und zwei LPs finanzierte, mit denen die Searchers einsame Klasse demonstrierten. Jeglichen Verdacht von Oldies-Revival räumten sie mit den Cover-Versionen von Mickey-, Jupp- und Dylan-, John-Hiatt-, Alex Chilton- und Tom-Petty-Vorlagen und – man durfte sich wundern – hervorragenden neuen Eigenkompositionen bei den Rockfield-Sessions 1979/80 aus wie nie zuvor eine Band dieser Generation.
Während es diese beiden LPs längst erstklassig überspielt auf der „The Sire Sessions“-Retrospektive von Raven gibt, zirkulierten die Aufnahmen der PYE-Ära bis jetzt fast ausschließlich auf CD-Remakes, transferiert weitestgehend von ziemlich grauenerregenden Bändern. Zeichen und Wunder einmal mehr: Searchers-Fans dürften bei der „Definitive PYE Collection“ die Ohren übergehen.
Die enthält – anders als die „30th Anniversary Collection“ von 1992 – zwar keinerlei Demos, Live-Geschichten oder Raritäten wie die deutschen Fassungen von „Needles & Pins“ („Tausend Nadelstiche“) und „Goodbye My Love“ („Verzeih‘ My Love“), die überflüssigen BBC-Mitschnitte auch nicht, dafür 75 Studio-Aufnahmen sensationell remastered. Nämlich Hits wie „Sweets For My Sweet“ und Dutzende anderer Aufnahmen, erstmals nicht pseudo-stereofonisiert oder von scheppernden und verzerrten Mono-Tapes übernommen, sondern – wo immer man die auftat – von lupenreinen (Ping-Pong-)Stereo-Mixes.
So miserabel, wie man immer annehmen musste, hatte Tony Hatch das Quartett also gar nicht produziert. Dessen Folk-Rock-Pioniertaten, Coasters-Covers und Maßstäbe setzende Interpretationen von Songs wie Jackie DeShannons „When You Walk In The Room“ klangen niemals besser.
Eigentlich schon verdiente Veteranen und auch eine „zentrale Tanzschaffe“, als sie 1963 ihr erstes Album aufnahmen, hatten es die Searchers – melodiesüchtige Everly Brothers– und Buddy-Holly-Fans ohne Vorbehalt – zu dem Zeitpunkt auch als Vokal-Ensemble zu rarer Pop-Perfektion gebracht. Nicht schlecht für eine Gruppe, die wie später The Nice zunächst nur Begleitband für Sangesprominenz (den heute wohl nur noch „Beat Music“-Spezialisten als Name geläufigen Johnny Sandon) war, die Instrumente aber nicht verräumen wollte, als der sich zu einer Solo-Karriere entschloss und dafür kurzerhand eine andere Band – die Remo Four – rekrutierte. Dass John Lennon die Merseybeat-Kollegen bewunderte, weil sie „so amerikanisch“ klangen, die Byrds das Rickenbacker-Intro von „I Feel A Whole Lot Better“ ungeniert bei ihnen abkupferten und die Band auch gravierende Umbesetzungen überstand, nutzte am Ende nichts.
Zu sehr hing ihnen das Image der Cover Boys an, zu lange lebten sie in dem Irrglauben, mit ihren Interpretationen von erstklassigen Vorlagen weitermachen zu können. Die Lektion von „Rubber Soul“ nicht begriffen und von heiler Pop-Welt träumend. Die Parameter für Platten-Produktionen hatten sich mittlerweile geändert. Es gelang ihnen noch eine sehr hübsche Aufnahme von „Four Strong Winds“, und so übel war auch die der Stones-Vorlage „Take It Or Leave It“ nicht Aber zu großer Form sollten sie, wie gesagt, erst mehr als 20 Jahre später wieder auflaufen.
Wenn eines an dieser Anthologie allerdings auch definitiv (nämlich völlig lieblos) ist, dann sind es die paar dürftigen Zeilen Liner Notes. Dafür entschädigt die Remastering-Qualität mehr, als man überhaupt noch hoffen durfte.