Mother Tongue – Mother Tongue
Im Jahr 1994 erschien dieses sehr ernsthafte, inspirierte Hybrid aus quirligem Funk, kopfhängerischem Blues, schepperndem Alternative- und artifiziellem Hardrock. Gleich bei einem Major, gleich sehr gut besprochen (wie man auch noch einmal in den Review-Schnipseln nachlesen kann, mit denen das Booklet unter anderem illustriert ist). Man hat etwas erwartet von dieser Band, vermutlich zuviel. Jedenfalls mehr als die unerfahrenen, sensiblen, vielleicht auch etwas naiven Musiker um Sänger, Bassist und Hutträger David Gould zu leisten vermochten. Die junge Band aus L.A. zerbrach bald nach Erscheinen ihres Debüts, blieb aber ein Gerücht in den einschlägigen Kreisen. Subkulturen vergessen nicht so schnell Wenn die gnädige These vom Ewigkeitswert der Kunst überhaupt anwendbar ist auf das Genre Pop, dann hier.
Als 2002 das starke Comeback-Album „Streetlight“ und ein Jahr später das nicht minder gelungene „Ghost Note“ erschien, da krochen alle Connaisseurs aus ihren Löchern und bereiteten ihnen eine rauschende Ballnacht.
Mit dieser splendiden, sehr schön aufgemachten „Fan Deluxe Edition“ bekommt man jetzt auch als Spätgeborener die Möglichkeit nachzuvollziehen, wo die gute Reputation herkommt. Und man kann das nachvollziehen.
Diese komplexen, manchmal fast zu schnörkeligen Song-Arabesken klingen zu keiner Zeit kalkuliert, ausgedacht, womöglich noch aufs Blatt notiert, vielmehr sind sie in langen Übungsraum-Sessions organisch gewachsen. Das kann gar nicht anders sein. Hier spielt eine echte Band zusammen, in der keiner bereit ist, seine musikalische Individualität aufzugeben und der man dennoch den Spaß am Kollektiv anhört – und auch, dass diese Songs zunächst mal instrumental funktioniert haben, bevor man es hier und da mit etwas Gesang versucht hat Manchmal (etwa bei „Burn Baby“) klingen Mother Togue wie ein verschrobener, introvertierter, vielleicht auch Acid-süchtiger Bruder der Chili Peppers (freilich ohne Kiedis‘ Kehlkopf), und manchmal lässt sich das gar nicht vergleichen. Wiederholungen sind hier keine Schande, sie sorgen für die Mantra-Tauglichkeit der Riffs. Enervierend wird es nur, wenn sie sich zu sehr mit sich selbst beschäftigen, wenn sie auch forcierte Atonalität in Kauf nehmen und diese kleinen intrikaten Hörwerke ins Frickelige, Jazzige lappen. Selten!
Die angehängten Live-Aufnahmen von „Damage“, „Broken“ und „The Seed“ beweisen vor allem eins: dass die Band im Studio nie über ihre Verhältnisse gespielt hat.