Grey De Lisle – The Graceful Ghost

Einer musikalischen Wundertüte gleich hatte die Kalifornierin ihr letztes Album „Homewrecker“ kredenzt, zwischen Shaft-Funk und Country-Drama, Punk-Spirit, Latin-Einlage und Streicher-Epiphanie war vieles drin und doch nichts zu viel. Gemäß ihrem Credo, die Leute sollten nicht wissen, wie eine Grey-De-Lisle-Platte klinge, bevor sie diese überhaupt gehört haben, pocht sie auf die künstlerische Freiheit, „in jede Richtung zu gehen“.

Was die ehemalige „voice actress“ für TV-Kindercartoons aber offenbar auch nicht daran hindert, sich dann für ein Album ganz auf ein musikalisches Ambiente zu konzentrieren, sofern es ihr gerade am Herzen liegt Und eine Herzensangelegenheit ist „The Gracefull Ghost“ zweifellos. Elf der zwölf Songs (Nr. 12 ist ein formidables Kitty-Wells-Cover, „This White Circle“) entstanden während ihrer Long-Distance-Romanze mit Murry Hammond, Alt-Country-Spezies von The Old 97s bekannt, heute längst Mr. Grey De Lisle, Co-Autor, Vocal-/Duett-Partner. Die Leitungen glühten zwischen Texas und LA, doch auch jenseits hormonell gesteuerter Betriebsblindheit.

De Lisle beherrscht nicht nur den intimen Front-Porch-Flirt mit ihrem „Black Haired Boy“, der wie ein unwirklicher Old-Timey-Geist aus ihrem Wohnzimmer herüberweht. Wo nur Akustik-Gitarren, Bass, Mandoline, Autoharp zum Einsatz kamen. No drums, please. Sie besingt nicht nur den Zauber starker Gefühle, sondern auch ihre dunkle Seite der Weg ist ja kurz zwischen „lovely“ und „mean“, nicht nur bei „The Jewel Of Abilene“. Und wenn die zum Vorschein kommt hilft nur noch Vergebung und die Hoffnung auf Gnade.

Zu schweren Autoharp-Wolken spürt sie dem Schicksal von „Katy Allen“ nach, „Sawyer“ ist ein dunkler, flehentlicher, bald verzweifelter Country-Blues vor der Kulisse von Zügen in der Ferne. Bis ihr Gesang eins wird mit der Kulisse und verebbt. Auch begleitet sie die Mutter auf dem Sterbelager, das Fieber hatte an die Tür geklopft. „Walking In A Line“ heißt das Stück, und es ist – als Sängerin – vielleicht ihr grandiosester Moment auf einem Album voll grandioser Momente. Stets an der Grenze zum Ausbruch, den sie sich dann doch verkneift, definiert die De Lisle großes Understatement. Dolly Parton wird dieses Album dreimal am Tag hören und es dann immer noch nicht glauben. Und dann ruft sie Emmylou und k.d. lang an, die’s auch nicht glauben wollen. Wir aber lauschen zuguterletzt ergeben dem „Pretty Little Dreamer“. Von dieser Frau in den Schlaf gesungen zu werden – eine himmlische Fata Morgana! Da müssen gerade große Jungs neidisch werden auf Murry Hammond. Und ganz stark sein. Auch wenn sie nichts als Schwäche spüren.

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