The Vines – Winninq Days
Zwei Vines-Momente bleiben für immer – erster Moment: „Factory“ von der Debüt-Single, das hundertfach schundiger und brünftiger und bodenloser klang ab die Version desselben Songs, die für das erste Album nachgemacht wurde. Zweiter Moment: Wie der verrückte Sänger Craig Nicholls im Video zu „Get Free“ am Schluss vom Blitz getroffen wird wie Rumpelstilzchen, sein Schicksal.
Das Herz dieses kleinen Mannes ist ganz offensichtlich das Auge eines Sturms, und aus rein selbstsüchtigen Motiven wünsche ich ihm, dass seine Vines irgendwann mal eine Platte machen, auf der man das hört „Winning Days“ ist jedenfalls eine lauwarme, freudlose Angelegenheit, Pilzkopf-Grunge mit mittelmäßigen Riffe, vorhersehbarer Dramaturgie und zu vielen zweitklassigen Songs. In diesem Fall richtig schade, weil die Platte gut produziert ist und die Band sogar eine musikalische Profilschärfung präsentiert: Neben dem üblichen Laut-Leise, der Garagen-Metal-Gitarre, den kurzen Refrains, dem trotzigen Kindergesang und dem irren Gekreische weist die Hälfte der Musik auf einen Sixties-Folk-Psychedelia-Einfluss hin, mit akustischen Gitarren, Jingle-Jangle („Rainfall“ ist fast Teenage Fanclub) und wundervollen Sing-Arabesken, bei denen Nicholls im Chor mit sich selbst wie die Hollies und die Mamas & Papas klingt und doch wieder nur Zeilen für Kalenderblätter dichtet – „You’re a sunchild, awoken by the spirit of the day.“
Damit sich keiner wundert: Das Album ist angenehm zu hören und läuft als abregende Rockplatte schön durch. Die völlige Abwesenheit von Ideen, Charme und Feuer im Hintern wird man dann vielleicht nicht mehr bemerken, wenn ein blutnasiger Craig Nicholls von einer Festival-Bühne herunter die Nullnummer „Fuck The World“ in ein Teen-Angst-Schlachtlied verwandelt und danach seine Gitarre aufisst. Diese Persönlichkeit kann die Vines überall hin tragen, sie brauchten nur einen Songwriter. Linda Perry, hilf!