Jim Croce – Classic Hits
Sie kennen A. J. Croce nicht? Sehr bedauerlich. Der Junior ist nämlich ganz große Klasse und hat ein paar Platten gemacht, die – ich ketzere mal mindestens so gut sind wie die wenigen, die sein Vater in seinem kurzen Leben aufnehmen konnte. Er klingt bei „That’s Me In The Bar“ manchmal wie ein Tom Waits, der von Randy Newman arrangierte Ray Charles-Songs singt. Wie Little Feat in besten Früh-Jahren bei „Sign On The Line“. Wie der größte lebende Crooner bei „Maybe I’m To Blame“! Ein verkanntes Genie, dem niemand mehr in dieser „Industrie“ eine Chance geben mag.
Jeder kennt seinen Erzeuger: Jim Croce. Der hat es auch nur zu drei LPs gebracht, war schon 29, als er sein Debüt vorlegte, und nicht mal 31, als er mit einer Chartermaschine abstürzte. Ein singender LKW-Fahrer, ein unablässig Songs schreibender (Sozial-)Arbeiter, eigentlich ein amerikanischer Archetyp wie Woody Guthrie, viele Jahre ein „Hard Time Losin‘ Man“ (Songtitel), der Sam Cooke idolisierte und Autobiografiscbes ganz anders in seine Lieder einbrachte als zu der Zeit ein Neil Young oder die weit prominenteren Mitglieder der Taylor-Familie. Das war ein lebenslustiger Bursche mit ausgesprochen scharfer Beobachtungsgabe, viel Witz, unverbrüchlicher blue collar-Mentalität und tollem Gespür für Melodien, die man schon nach dem ersten Hören nie vergaß.
Ein einziges Mal ließ er den weinerlichen Hund heraushängen, aber dass „Time In A Bottle“ zum Multimillionenseller avancierte, erlebte er schon nicht mehr. Der weniger pietätvoll als eher kommerziell scharfsinnig aus dem Debüt ausgekoppelte Song wurde posthum sein zweitgrößter Single-Hit. Aber von derselben Klasse wie fast alles, was er sonst so schrieb, war das nicht, schon gar nicht von derselben wie „It Doesn’t Matter Anymore“, das nach Buddy Hollys Tod auch auf die Nr. 1 der Hitparaden schoss. Nach Croces Tod begann erst so richtig die ganz große Auswertung von allem, was er je ins Mikrofon gesungen hatte. Capitol veröffentlichte zum Discount-Preis unter dem Titel „Croce First Album“ eine mit Ehefrau Ingrid aufgenommene LP, die ohne seinen frühzeitigen tragischen Tod vermutlich nie erschienen wäre, und legte über die Jahre weitere Frühwerke und Kopplungen nach. Die Original-LPs waren teilweise lange Zeit überhaupt nicht mehr erhältlich, statt dessen endlose Hit-Verschnitte oder neue Zusammenstellungen wie das 1975 veröffentlichte „The Faces I’ve Been“. Die LPs musste man immer behalten, denn die klangen ungleich besser als so manches scheußlich verfärbte CD-Remake viele Jahre lang, bevor Atlantic und 1999 auch Castle Records endlich mal anständige Remaster-Ausgaben von Ted Jensen und anderen Koryphäen überspielen ließen.
Schade, dass man sich bei Rhino nicht wie letztgenannte Firma mit dem 2-CD-Set „The Definitive Collection“ zu einer Werkschau durchringen mochte, die einen wirklich großzügigen „Best Of“-Rückblick auf seine Aufnahmen der Saja Records-Jahre erlaubt „Classic Hits“ präsentiert nur eine kleine Auswahl, sprich 20 seiner beliebtesten Ohrwürmer. Nicht mehr, allerdings auch nicht weniger, wenn jemand damit zufrieden ist. Natürlich alles auch sehr gut überspielt und klanglich mit großem Sachverstand ausbalanciert. Aber die Zeiten, in denen Rhino noch Doppel-CD-„Anthologies“ für Sammler, Kenner und solche, die es werden wollten, mit ausfuhrlichen Liner Notes ins Programm hob, scheinen nun doch der Vergangenheit anzugehören.