Jacques Brel – Infinement
Was Leonard Cohen mit „Ain’t No Cure For Love“ meinte, hatte auch Jacques Brel lange vorher begriffen. Anders als sein kanadischer Bruder im Geiste, formulierte er das in seinen Chansons nur nicht so sanft melancholisch bis resigniert; Brel scheute das Pathos so wenig wie der viele Jahre für die Arrangements zuständige Francois Rauber. Wahrheiten sollte man – in dem Punkt blieb er bis zum Schluss der ganz alten Chanson-Tradition verhaftet – nicht nebenbei, sondern mit Nachdruck sagen. Auf diese existenzialistische Sicht ließ sich Scott Walker in seinen Interpretationen so radikal wie kongenial ein. Dessen knappes Dutzend Cover-Versionen von Brel-Kompositionen ist immer noch so ziemlich das Maß der Dinge, wenn es um Vergleiche mit denen vieler anderer Bewunderer angeht Was letztere an ihm liebten, war wohl auch die Art, wie Brel den Künstler als Außenseiter der Gesellschaft verstand und verkörperte. Als solcher sang er über die „großen“ Themen: Geburt, Liebe und Tod. Und dann über ein paar Dinge, die dazwischen passieren. Über die Liebe im Alter und die spezielle Faszination von Orten, über Freundschaft, Hass und den Teufel, die Bourgeoisie und den Liebenden, der nicht wahrhaben will, dass sie ihn für immer verlassen wird. Die vier Minuten von „Ne Me Quitte Pas“ waren ganz großes Theater, das „Chanson des Vieux Amants“ großes romantisches Kino, „Mon Enfance“ ein Epos, das in der Geschichte der Gattung eine Ausnahmestellung innehat.
So ernst wie Brel mochten viele Kollegen wie ein Yves Montand die Dinge nicht unbedingt sehen. Aznavour vielleicht. War vermutlich auch der Grund dafür, dass ihm Francois Truffaut in „Tirez sur le pianiste“ die Rolle seines Lebens gab, Brel dagegen Jahre später – vom Krebs gezaust, gegen den Tod kämpfend – einen von Leben und Liebe enttäuschten Unglücksvogel – ein Fatalist auch der – spielte, den Profikiller Lino Ventura in Molinaros Komödie „L’Emmerdeur“ unfreiwillig vor dem Selbstmord bewahren muss. Brel, der sich zu dem Zeitpunkt längst ganz vom Musikgeschäft verabschiedet hatte, meisterte auch diese Rolle brillant Sechs Jahre später verlor er den Kampf. „Best Of“-Kompilationen wurden bereits zu seinen Lebzeiten viele veröffentlicht. Klangtechnisch die beste ist diese neue auf zwei Hybrid-SACDs (abspielbar auch auf jedem herkömmlichen Player), bis auf wenige Ausnahmen wie die von „Amsterdam“ Studioaufnahmen, insgesamt 40, die aber auch nicht chronologisch sortiert das zwei Jahre vor seinem Tod aufgenommene „Les Marquises“ etwa ist Track 7 auf der ersten SACD. Aber auch das Sequencing hat seine Richtigkeit. „Je Suis Un Soir d’Ete“ ist das passende Finale.