Melissa Etheridge – Lucky
Es ist zu leicht, sich über Melissa Etheridge lustig zu machen. Der Titelsong hat den Refrain: „I wanna see how lucky lucky can be/ I wanna ride with my angel and live shockingly.“ An Etheridge war nie etwas schockierend, nicht mal, dass so eine Rockerin lesbisch ist und ausgerechnet David Crosby als Samenspender ihrer Kinder auswählte. Trotz all der Schlagzeilen war es immer wieder dasselbe Wort, das einem bei ihr zuerst einfiel: „bodenständig“. Eine Beleidigung. Es war zeitweise schwierig, sich daran zu erinnern, dass Etheridge vor allem Musikerin ist – ihre Bereitschaft, ständig allen zu erzählen, wie sie sich gerade fühlt und was sie so bewegt, trug dazu bei. Inzwischen ist sie glücklich verheiratet, deshalb heißt dieses Album so, und man gönnt ihr das Glück. Ihre Songs klingen jetzt auch wieder schwungvoller, nicht so larmoyant und bisweilen fast so kraftvoll wie einst „Bring Me Some Water“. „This Moment“ ist so ein dynamisches Stück, „Mercy“ auch – selbst wenn es ein bisschen zu sehr an ihren geliebten Bruce erinnert. Aber leider hat sie auch Lieder von Kollegen angenommen, wie den banalen Mainstream-Liebesheuler „Breathe“. Dann lieber einfach ein bisschen bei anderen stibitzen: „Secret Agent“ hört sich verdammt nach Bon Jovi zu „Keep The Faith“-Zeiten an, immerhin deren beste Phase.
Es ist fast unmöglich, Melissa Etheridge nicht zu mögen. Ihre Stimme klingt immer so grundehrlich. Und sie quält einen nie mit diesem Geschrei, das andere zu Recht „Rockröhren“ genannte Frauen als Gefühlausdruck missverstehen, oder mit süßlichem Geflüster, das ewige Mädchen wie Gwen Stefani gern mal einsetzen, wenn es traurig wird. Sie singt einfach. Bei „Meet Me In The Dark“ vielleicht besser denn je, nur von Piano begleitet.
Es ist gar nicht so schlecht, Melissa Etheridge zu hören. Auch wenn es sehr uncool ist.