Kelis – Tasty: Kelis setzt auf Hitproduzenten und schafft doch eigensinnige Stilkollagen :: VIRGIN
Zu Hause in den USA hat Kelis noch eine Rechnung offen: Nachdem ihr Debüt beim heimischen Publikum mehr oder minder durchgefallen war, erschien Album Nummer zwei, „Wandaland“, von vornherein nur in Europa und Asien. Seither hält man Kelis in der Neuen Welt für einen Exportschlager, sonst aber für nichts – und eben das soll sich mit dem lang angekündigten dritten Album nachhaltig ändern.
Für „Tasty“ umgab sich Kelis, die bislang praktisch ausschließlich auf die (eigentlich ja Erfolg garantierenden) Neptunes als Produzenten und Hitmacher vertraute, mit einem Team, das sich gut auskennt mit den Hörgewohnheiten des durchschnittlichen US-amerikanischen R&B-Konsumenten: P. Diddy, Timbaland, Raphael Saadiq und Wyclef Jean produzieren, was das Zeug hält, und auch die Neptunes sind mit immerhin noch fünf Cuts dabei. More name-dropping anyone?
Freilich ist im R&B, Soul und HipHop US-amerikanischer Fassonja mittlerweile viel Raum für kreative Assoziationsspiele und Freistilversuche, und nun muss auch Kelis nicht mehr furchten, mit ihren nach wie vor recht eigensinnigen Stilcollagen unangenehm aufzufallen. Das abstrakt-klaustrophobische Beat-Stakkato von „Milkshake“ meldete Kelis bereits in den Charts zurück, und eben dorthin wird auch der lustig wippende Dancehall-Hop von „Trick Me“ einen Weg finden. Kelis singt von sexueller Freiheit und weiblichem Selbstbewusstsein und tönt tatsächlich deutlich erwachsener als zu Beginn ihrer Karriere.
Anderswo orientiert sich die Chanteuse aus Harlem an Soulpop-Idealen der achtziger Jahre („Protect My Heart“ und „Flashback“, auch schon auf der letzten Platte), M. J. Blige („Rolling Through The Hood“, „Stick Up“) und minimalistischen Elektro-Spielchen („Millionaire“, „Marathon“). Ohne hier nun ein großes Werk oder gar eine ganz besondere Gabe zu erspähen, wild man all das zumindest emotional integer nennen können – und der Prophetin das erhoffte Gehör im eigenen Land herzlich wünschen.