Print-POP von Frank Schäfer

„Raketen in Rock“ (Ventil, 11,90 Euro) von Tom Tonk bündelt seine gesammelten „Ox“-Kolumnen und erzählt Geschichten, so will es der Untertitel, von „33 1/3 Platten für die Ewigkeit“, ganz persönlich, subjektivistisch, aus dem Wäschesack ge wissermaßen, wie man es eben machen muss – nur leider in diesem vermurksten, keine Infantilität auslassenden, immer etwas bellenden, aber dann doch nie richtig beißenden Punk-Fanzine-Stil, der längst so obsolet ist wie die Huronenpeitsche. Ach, wenn er bloß schreiben könnte, zu erzählen hat er nämlich genug: Zum Beispiel kann er einem ziemlich plausibel machen, warum man 1984 „Volle Lotte“ von den Rodgau Monotones durchaus hören und für gut befinden konnte, ja, musste! Und dass man in diesem Leben noch mal etwas über das kuriose, gitarristisches Ingenium und lyrisches Dorfdeppentum verschmelzende Album „Himmel, Arsch & Zwirn“ von Bauer, Garn 8. Dyke würde lesen dürfen, man hätte es nicht für möglich gehalten. 2,0

„The Little Man Stories“ (Maro, 14,90 Euro) von Robert Lowry ist eine notwendige Ergänzung zur schönen vierbändigen Auswahlausgabe bei Rogner & Bernhard und enthält 18 frühe Erzählungen dieses Monomanen, dieses Schreibwüterichs, der sein großes Talent nicht nur bis zur Erschöpfung ausgebeutet hat, sondern meistens noch darüber hinaus, und schließlich ganz irre daran geworden ist. Diese Kurzgeschichten, erstmals publiziert in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift „The Little Man“, erzählen von einfachen Menschen, meistensjungen Frauen, die im Grunde nichts weiter wollen, als dass eines Abends ein Buick Coupe vor dem Haus hält mit dem Mann, der sie glücklich macht. Wir befinden uns eben in den 30er und 40er Jahren. Nur Nancy Ann, die Protagonistin aus „Die Fahrkarte“, verweigert sich diesem Rollenmodell, indem sie die Provinz verlässt, aufbricht nach Chicago, um dort endlich intensiv malen und schreiben zu können. Aber als sie dann im Zug sitzt, „spürte sie, wie ein nie zuvor gekanntes schreckliches Gefühl von Einsamkeit und Verlust durch ihre Venen pulsierte“. Dieses Gefühl wird hier immer wieder umkreist, vielleicht weil es kein typischeres gibt für die Zeit der großen Depression, auf die dann ja eine noch größere folgen sollte.

Ein paar Geschichten handeln denn auch vom Krieg, indem sie nicht davon handeln. Lowry geht es nicht ums Stahlgewitter, sein Krieg ist der große, aber abwesende Schrecken, der dennoch stets präsent bleibt, jede Zelle des Lebens kontaminiert, der die Menschen, auch wenn er sie für eine Weile noch am Leben lässt, nur mit Leid überzieht, sie entzweit, Monate, Jahre trennt, charakterlich deformiert. Wirksamere Anti-Kriegsgeschichten kann es gar nicht geben, wenn man sieht, was der sogar weit weg von den Gefahrenzonen aus den Menschen macht. Gegen diese ungekünstelten und doch nicht kunstlosen Momentauf nahmen und Seelenporträts fallen die paar rabiat-surrealistischen Prosa-Albträume in diesem Band ein wenig ab. Man weiß nicht so recht, was sie sollen, und braucht sie eigentlich gar nicht mehr. Die Realität ist schlimm genug. 3,5

„Robert Lowry Journal No. 2“ (Heinz Wohlers Verlag, 15 Euro) edited by Heinz Wohlers gehört unmittelbar dazu und liefert Materialien zu Leben und Werk Lowrys (siehe dazu auch die von Wohlers betreute instruktive Web-Seite www.-RobertLowry.de). Es sind dies u.a. ein paar autobiografische und poetologische Texte, nicht zuletzt über sein Zeitschriftenprojekt „The Little Man“, Ausschnitte aus einem Tagebuch vom April/Mai 1974, Matthias Matusseks „Spieger-Artikel, derdie Lowry-Rezeption hierzu Lande erst eingeleitet hat, und ein leider viel zu kurzer Artikel von James Reidel über dessen späteren, mit dem Wahn einhergehenden Antisemitismus. Für den Angefixten eine notwendige Publikation. 3,0

„Komische Kunst“ (Kain & Aber, 25 Euro) von Bernd Pfarr ist – genau das! Seine Komik ist gepflegt, vielmehr soigniert, und auf eine zurückhaltende, nie spitzfing rige Weise stilvoll. Pfarr zeichnet bürgerliche Grotesken und annotiert sie mit kleinen Prosaminiaturen, die das witzige Potenzial dieser Acrylbilder erst voll erschließen: „Um möglichst zur Gänze den Eindruck zu verwischen, er betreibe seine Spaziergänge aus reinem Müßiggang, trug Sigmar Kropp bei seinen ausgedehnten Gängen im Ortchen stets einen gut gefüllten Zementsack mit sich.“ Und wer Pfarrs Werk schon kennt (aus „Stern“, „Titanic“ oder dem seligen „Zeit-Magazin“) und sich stets gefragt hat, wie bei aller zweifellosen Komik diese opake Melancholie, diese unscharfe Traurigkeit zustande kommt, der erhält Aufschluss im Vorwort von Andreas Platthaus. Es ist das Kolorit! Pfarr mischt seine lichtschluckenden, aber satten Töne den Comic-Heften der 50er Jahrenach. Er ist ein Archäologe der Farben, und Gemensch und Getier seiner Bilder legen eine altmodische Demut an den Tag, die ganz hübsch dazu passen will: „Wie jeden Morgen musste Herr Künzler feststellen, das Günther, ein Obdachloser, seinen Wagen zum Schutz vor der Witterung als Unterschlupf gewählt hatte. Wie üblich brachte es Herr Künzler nicht übers Herz, ihn aufzuscheuchen, und fuhr mit dem Tretroller seine Sohnes zur Arbeit.“ 4,0

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates