Print-Pop von Frank Schäfer
„Elf Entwürfe für meinen Grabspruch“
(Kiepenheuer & Witsch, 16,90Euro) nennt Wolf Biermann seine Anverwandlung von Bob Dylans „Eleven Outlined Epitaphs“. Es handelt sich hier tatsächlich nicht um eine Übersetzung dieses schneidigen, atemlosen, kraftgenialischen Sturm-und-Drang-Poems, denn der alternde Barde verleiht diesen steilen, schnellen, schlanken Versen des gerade mal 23-Jährigen ohne Not einen Bierbauch und einen dicken Arsch. Und das liegt dieses Mal nicht allein an der Behäbigkeit der deutschen Sprache. Es hätte ihn gereizt, sagt der After-Dichter im vor Stümperei und Eitelkeit berstenden Nachwort – das sich weniger um Dylan kümmert als um Biermann selbst, der seine kreative Tranfunzel immer wieder gegen diese Sonne hält und uns dann auch noch glauben machen will, beide strahlten eigentlich so ziemlich gleich hell -, „beim Rüberschleppen in unsere Sprache, diesem autarken Amerikaner, der eigentlich gar nichts von anderen braucht, aus meinen deutschen Vorräten und aus meiner mehr europäischen Sicht noch das eine oder andre zuzustecken“. Er sagt es zwar nicht schön, aber er sagt es: Dylan hat das nicht nötig! Noch mehr: Er hat so etwas einfach nicht verdient. Glücklicherweise wird ja der Originaltext ebenfalls abgedruckt. Dylan: 3,5
„Junge Werwölfe“
(Kiepenheuer & Witsch, 18,90 Euro) von Michael Chabon versammelt verstreut publizierte Erzählungen, dieaberdennochunbedingt zusammen gehören, weil sie allesamt am Sockel des konservativen Familiendenkmals herummeißeln. Man bekommt nach diesen Geschichten wirklich den Eindruck, als würde alle Welt so engagiert das Ideal der heilen Familie umkränzen, weil die in der Realität so gut wie nicht mehr vorkommt. Hier ist keine Ehe glücklich, meistens ist sie sogar längst gescheitert, hier haben die Beziehungen zwischen Frau und Mann nur ein sehr begrenztes Haltbarkeitsdatum. Trotzdem sind die beiden Geschlechter mit tragischer Unausweichlichkeit aneinander gekettet, im simpelsten Fall, weil man Kinder in die Welt gesetzt hat, um die man sich nun kümmern muss. Aus dieser Reihe realistischer, in guteramerikanischer Short-Story-Tradition stehender und gekonnt erzählter Geschichten, die sich von den großen Vorbildern Carver, Hemingway etc. vor allem durch sprachwitzige, gelegentlich fast manierierte Detailmalereien unterscheiden, fällt nur die letzte etwas heraus: „In der schwarzen Fabrik“. Hier schlüpft Chabon in die Rolle des Horrorschreibers August Van Zorn und fingiert den Gothic-Sound der klassischen Phantastik. Der Protagonist, ein promovierender Archäologe, erfährt bei seinen Grabungen, dass seine These vom fürchterlichen Miskahannock-Stamm richtig ist, nämlich die: dass die Frauen Menschen-, vielmehr Männerfresserinnen waren. Leider muss er ebenfalls feststellen, überdies viel zu spät, dass der Stamm noch längst nicht ausgestorben ist. Man wundert sich zunächst ein wenig über diesen Stil- und Genre-Bruch am Ende des Buches, aber letztlich führt er ja auch hier nur fort, was er im realistischen Medium immer wieder durchexerziert hat. Großartiges Buch! 4,0
„In fremden Gärten“
(Arche, 18 Euro) ist Peter Stamms zweiter Band mit Kurzgeschichten. Und wie sein zu Recht sehr gut besprochener Vorgänger „Blitzeis“ besticht auch dieser durch eine lakonischwortkarge, karstige, gänzlich metaphernlose Prosa, durch die eine schöne Melancholie weht. Man muss nach jeder Geschichte erneut ein bisschen aufseufzen, nicht etwa weil die Protagonisten wirklich leiden, sondern weil die schiere Alltäglichkeit ihre betongrauen Arme um sie geschlungen hat und ordentlich zudrückt. Es sind einmal mehr Minimalplots, die Stamm hier erzählt, manchmal eher Skizzen als Stories: Ein Schweizer Banker wird indieDependance nach London versetzt und fühlt sich fremd und allein in den Docklands, seinem neuen Zuhause für ein Jahr; eine in die Schweiz ausgewanderte Dänin bekommt erstmals Besuch von ihrem Vater, und ein merkwürdiges Wechselspiel aus Distanzierungs- und Annäherungsversuchen beginnt; ein Mann wartet im zugeschneiten New York bis tief in die Nacht auf die Ankunft seiner Geliebten, deren Flug umgeleitet wurde und der er etwas sehr Wichtiges zu sagen hat. Aber trotz dieser Ereignisknappheit wird man doch mitgezogen von diesen schlichten, ernsten, ganz unspektakulären und scheinbar so kunstlosen Erzählungen. Nur eine von elf Stories missrät ihm ein wenig, „Deep Furrows“. Hier lehnt sich Stamm zu weit aus den Fenster, und schon bekommt die großbürgerlich-viktorianisch angetünchte Stimmung etwas Kunsthandwerkliches, driftet das zu sehr in Richtung Mystery-Kitsch. Und nachdiesen160 Seiten Temperenzler-Prosa hat man dann auch wieder Lust auf etwas sprachliche Ausschweifung. 3,5
„Michelangelo Rising“
(Pendragon, 12,80 Euro)von Thomas Krüger könnte da helfen. Krüger schreibt Gedichte, die zwischen Pop und Klassik vermitteln, die anspielungsreich und wortverliebt, gelegentlich auch hermetisch sind und die vor allem in freien, prosanahen Versen überzeugen. An Sonetten versucht er sich ebenfalls, umspielt die strenge Form recht ungezogen.Doch welchen Sinn hat es, sich so ein starres Korsett zu wählen – aiseben den, mit Leichtigkeit und Eleganz zu beweisen, dass es sitzt wie angegossen!? Trotzdem, ein sympathisch eigenständiges und unmodisches Debüt. 3,0