Radiohead – Hail To The Thief :: EMI
Die neue Radiohead? Schon vor Wochen runtergeladen? Altes Teil? Klingt wie ein Zwitter aus „Kid A“ und „Amnesiac“? Wieder mit Gitarren? Manchmal auch ein kleines bisschen wie „OK Computer 1“!
Mit elektronischen Experimenten? Mit Falsettgesang? Mit Space-Orgeln? Mit Hymnen am Piano? Mit irren Songtiteln, enigmatischen Texten, bizarren Botschaften, opak, verrätselt, mystisch, dräuend? Völlig abgehoben, geräuschig, out there.
stränge, over the top, Avantgarde, old-fashioncd. out of time, anachronistisch, total irre?
ibm name tu Waren bereits ihre letzten drei Platten, inklusive des Live-Dokuments „I Might Be Wrong“, nicht mehr zu rezensieren, so lässt „Hail To The Thief‘ schon das Sprechen unmöglich werden, umso mehr das Schreiben. Was für eine Schadenfreude empfindet man, wenn der „New Musical Express“ in der weltweit ersten Rezension, wie er auch noch beschwipst tönt, „a good rather than a great album“ ausmacht: Gestammel, das sonst nur in deutschen Musikzeitschriften die komplette Hilflosigkeit signalisiert.
Weshalb Radiohead noch immer großartig sind, hört man sofort bei „Sail To The Moon“: sinnlos und Ehrfurcht gebietend zugleich, wimmert Thom Yorke durch Sentenzen wie „I was dropped from moonbeams/ And sailed on shooting stars“. Der Präsident, seit geraumer Zeit eine Radiohead-Gestalt wie in Thomas Bernhards gleichnamigem Drama, kommt auch darin vor. Aber welchen so genannten Mächtigen soll derart kryptisches Gewimmer und Gegreine bei der Arbeit stören? Erschüttend war „Fitter Happier“. Erschütternd war „Lucky“. Erschütternd war JNo Surprises“. Das war Sozialkritik, das war Wahrheit. Für die Kurzbehosten im Moshpit meinetwegen auch „Creep“: Wir sind Müll. Keiner braucht uns. Wir werden allenfalls noch von den Eltern erben. Betäubt uns. Gute Nacht.
Aber mit der Kunst ist das so eine Sache. Sie bewirkt nichts, sie beschreibt allenfalls die Welt. Mit ihren Schuldenprotesten und der Zurschaustellung von Vergrübelung und schlechter Laune sind Radiohead allerdings noch folgenloser und lächerlicher als Bono. Und die Welt nach Radiohead sieht ihrem Proben- und Aufnahmeraum ziemlich ähnlich: Versiert und raffiniert arbeiten sie an Sounds und Rhythmen und bombastischen Chorälen, und Yorkes Stimme kann einen noch immer erschaudern lassen: „Where I End And You Begin“. Doch diese lastende Ruhe von „Exit Music (For A Film)“ oder „Karma Police“, diese unheimliche Ahnung von etwas, das man nur spüren kann, das am Horizont erscheinen wird – das kriegen sie nicht mehr hin. Denn jetzt ist alles überall und jederzeit unheimlich, bedrohlich, unheilschwanger. Uncool, aber grandios.
Radiohead sind ganz entrückt von ihrer Bedeutsamkeit und den ziselierten Arrangements. So etwas Banales wie ein Song kommt ihnen nicht unter. Eine zerschossene Suite wie „We Suck Young Blood“ muss es schon sein. Aber was sagt es über die Welt, dass sogar Amerikaner glauben, diese Musik zu lieben?