Musikbücher von Birgit Fuß
„Farao Rock City“
(Touchstone/Simon & Schuster, ca. 13 Euro) von Chuck Klosterman ist „A Heavy Metal Odyssey In Rural North Dakota“ und das mit Abstand beste Buch, das bisher über Heavy-, Hair- und Glam-Metal geschrieben wurde. Klosterman kann natürlich nicht objektiv sein, er wollte immer lange Haare haben und richtig rocken, aber es gelingt ihm wunderbar, die Klischees des Genres zu verarbeiten – und die Musik trotzdem zu feiern. Er vergleicht seine Begeisterung mit Alkoholismus (und das, ohne zynisch oder albern zu werden), er erklärt, warum gerade Außenseiter diese Musik so lieben: weil einem Paul Stanley, Sebastian Bach Und die anderen Knallköpfe immer erzählt haben, dass es viel cooler ist, nicht dazuzugehören. Und wenn man schon nicht mit den Schul-Lieblingen mithatten kann, warum nicht gleich ein Lebensmotto daraus machen? „They try to teil us that we don’t belong/But that’s allright/ Cause we’re millions strong…“ So funktioniert die Selbstbestätigung: Wir passen hier nicht rein, aber wir wollen ja auch gar nicht so sein wie alle anderen, ätschl Klosterman beschreibt all das mit Humor, aber ohne bösen Spott. Er nimmt Metal viel zu ernst, um sich nur darüber lustig zu machen. Okay, die Delphine im „Estranged“-Video von Guns N‘ Roses waren ihm dann auch zu viel. Und er versteht – anders als viele bornierte 80er-Jahre-Kinder schon, warum Grunge plötzlich so populär war. Den Schmerz von Kurt Cobain konnte man nachvollziehen, er war einer von uns. Genau das trifft auf Klostermans Helden von Mötley Crüe eben nicht zu – die lebten Sex, Drugs & Rock’n’Roll und alles, wovon man in einer Kleinstadt nicht mal zu träumen wagte. Am Ende gibt er zu, dass er inzwischen lieber Radiohead hört, aber seine Crüe immer verehren wird – und fasst die Faszination in zwei einfachen, so wahren Sätzen zusammen: „I absolutely could not relate to Mötley Crüe. And that’s why I will always love them.“ David Byrne hat Recht: „YouNEEDto read this book. 5,0
„Bang Your Head“
(Three Rivers/Random House, ca. 14 Euro) von David Konow ist eine viel konventionellere Abhandlung über Heavy Metal. Konow hangelt sich chronologisch von Black Sabbath und Led Zeppelin zu Iron Maiden und Def Leppard bis zu Metallica und Bon Jovi – um dann festzustellen, dass es um Heavy Metal zurzeit nicht gut bestellt ist. Wer hätte das gedacht! Schuld sind natürlich wieder mal Grunge, Beavis & Butthead und die maßlosen Egos der einst so beliebten Bands. Da Konow drei Jahre lang Interviews gesammelt hat, gibt es eine Menge amüsanter Anekdoten – aber letztendlich leider gar nichts Neues. Für eine etwas tiefgehendere Analyse hätte auf mehr als 400 Seiten schon noch Platz sein sollen. 2,5
„Ryan Adams“
(Omnibus, ca. 20 Euro) von Michael Heatley krankt etwas an dem offensichtlichen Mangel an Material: Adams ist gerade mal 29 Jähre alt – er hat zwar viel erlebt, doch kaum genug für eine umfangreiche Biografie. Folglich beschreibt Heatley dezidiert und oft doch reichlich langatmig Konzerte und Aufnahmen, versucht nebenbei eine Charakterstudie, scheitert aber an der Tücke des Subjekts: Adams lässtsich nicht so leicht vereinnahmen, er gibt, zumindest in Interviews, zu wenig von sich preis, seine Bühnenpräsenz ist unbeschreiblich. Immer wieder betont Heatley, wie sehr Adams es hasst, dauernd „der neue…“ zu sein – im Klappentext wird er prompt mit Gram Parsons verglichen. Schnellschuss, überarbeitungsfähig. 2,0
„Ox – das Buch“
(Ventil Verlag, 14,90Euro), von Joachim Hiller herausgegeben, trägt „die besten Interviews aus 15 Jahren Ox-Fanzine“ zusammen. Aus 50 Ausgaben des Hefts wurden die interessantesten Beiträge ausgewählt – Hardcore, Punkrock, Krach galore. Da trifft man die Militant Mothers und die Dead Kennedys wieder, aber auch Die Ärzte und The Offspring, deren Gitarrist Noodles Anfang der 90er Jahre noch so ulkige Sachen sagte wie: „Wir glauben nicht daran, dass wir mit der Band jemals eine größere Summe Geld verdienen werden.“ Dass hier auf Rechtschreibung und Formschönheit kein großer Wert gelegt wurde, ist vielleicht konsequent – stört Spießer wie mich aber manchmal trotzdem. 3,0
„Meine Jahre mit „Die Ärzte“
(Schwarzkopf & Schwarzkopf, 19,90Euro) von The Incredible Hagen ist eine Flucht nach vorn. Wenn man nach 14 Jahren immer noch als „Ex-Bassist der Ärzte“ vorgestellt wird, obwohl man doch nur zwei Jahre bei der Band war, dann gibt es nur zwei Möglichkeiten: alles leugnen oder sich kurzzeitig der Nostalgie ergeben, um danach wieder von vorne anzufangen. Hagen Liebing wagt es, sich noch mal an die lustige Zeit von ’86 bis ’88 zu erinnern. Seine Tagebuchaufzeichnungen von damals, chaotisch und manchmal kindisch und wohl wirklich authentisch, helfen dabei natürlich – da fehlt nichts: die Zensur, die Hysterie, der Tour-Moloch. Die spätere Reflexion der Ereignisse fällt umso nüchterner aus, aber durchaus wohlwollend. Na also: „Ex-Popstars“ müssen gar nicht verbittert sein. 3,5