Madonna – American Life :: WEA
Business wie immer, ein berechenbares Jahr so far bei Madonnas zu Hause. Am Rande der Oscars hat sie sich ein paar goldene Stachelschweine oder so ähnlich für den schlechtesten Spielfilm abgeholt. Es gab wieder ein Skandal-Video, sie hat sich wieder in eine vernachlässigbare Freiheitspose geworfen, als sie bei der Turner-Prize-Zeremonie einmal „motherfucker“ sagte. Und sie hat wieder eine fantastische Single gemacht. „American Life“ zeigt, dass man auch an Musik, die grundsätzlich zum Tanzen da zu sein scheint, höchste Ansprüche stellen darf. Madonna singt zum schmatzenden Synthesizer und der spanischen Gitarre von Produzent Mirwais, über zerbrochene Trommeln und Sirenen-Einsätze eine super zitierbare Bekenner-Hymne, „I tried to be a girl, I tried to be a girl – this type of modern life, is it for me?“ Nach dem Titelsong kommt „Hollywood“ mit einer gepickten Western-Gitarre und HipHop-Rhythmus, euphorisierend. Feierlicher Einzug über den Sunset Strip, vielleicht der Anfang einer Geschichte. Kurz hört man wieder die Naivität des frühen „Lucky Star“ und denkt, dass Madonna doch eine gute Schauspielerin ist, aber da bricht der Spannungsbogen schon. In den restlichen neun Stücken von „American Life“ will sie nicht mehr erzählen als die Banalitäten, die in der Selbsthilfegruppe für überglückliche Mütter geredet werden.
Wann überhaupt hat Madonna zuletzt mit einem Album die Unterstellung eingelöst, sie sei eine radikale Künstlerin? Die Musik ist über die Jahre immer privater geworden, und diese Platte klingt nicht mal mehr so, als sei da wesentlich mehr passiert, als dass Madonna und Mirwais auf zwei Stühlen nebeneinander saßen. Der französische Freund hat sich Mühe gemacht beim Aufnehmen der vielen Gitarren, die schrammein, schnarren und sogar twängen, hält den Gesamtklang aber digital und krankenhausweiß. Die Lieder, die Madonna dazu singt, sind größtenteils harmoniebedürftige Folk-Küken, trotz der Single und einiger Rap-Einwürfe.
Schön auf jeden Fall. Überraschend: genau so wenig wie der oben beschriebene Rest. Die erste Madonna für Besitzer gemauerter Kamine.