Bob Marley & The Wailers Rastaman Vibration :: Island Chronicles
Was er mit den ersten Wailers-Platten für Island und dem famosen Mitschnitt eines Londoner Konzerts gesät hatte, erntete er so richtig erst mit der nächsten Studio-LP. Kurios nur: „Rastaman Vibration“, Marleys erfolgreichstes Album zu Lebzeiten, markierte eigentlich eine kreative Auszeit für ihn. Den Gang der Session-Dinge diktierten damals ganz klar seine Rhythmus-Leute Aston und Carlton Barrett sowie Ehefrau Rita, die auch das Gros der Songs geschrieben hatten. Das poppige „Cry To Me“ und das mehr an alte Reggae-Klassiker anknüpfende „Night Shift“ waren die einzigen, die Marley beigesteuert hatte, aber größere Klasse hatten eindeutig Ritas „Rat Race“ und „Johnny Was“, das von den Barretts geschriebene „Who The Cap Fit“, drei von Vincent Ford (mit)komponierte Ohrwürmer – von denen wiederum „Positive Vibration“ umgehend zum Standard im Bühnenrepertoire wurde – und natürlich „War“, visionäre Hymne des ganzen Reggae.
Wie im Vergleich zu den Ende 1975 abgesegneten jamaikanischen Original-Mixes zu hören, die – vormals unveröffentlicht- auf der ersten CD der Deluxe Edition als Bonus-Tracks auftauchen, hatten Blackwell und Aston Barrett das Monate später in den Criteria Studios in Miami richtig clever auf einen „weißen“ Rockmusik-Geschmack hin neu abgemischt. Woraufhin sich die Platte allein in den USA millionenfach verkaufte. Und das Konzert, das „Bob Marley and the proverbial wailin‘ Wailers“ – so vom MC eingeführt – einen Monat nach der Veröffentlichung der LP im Roxy in L.A. gaben, war natürlich ein Triumph. Die neuen Songs wie „Rat Race“ hatte man da zur konzertanten Präsentation schon auf epische Länge umarrangiert, und die längst zu Evergreens mutierten „Rebel Music“, „No Woman No Cry“, „Them Belly Full (But We Hungry)“ und „I Shot The Sheriff“ fehlten natürlich nicht. „Lively Up Yourself“ begrüßte das Publikum mit richtigem Aufschrei, und nichts klang da mehr so verdammt „laid back“ und ultraperfekt produziert wie auf dem Studioprodukt.
Diese bis auf „No Woman No Cry“ bislang unveröffentlichten Mitschnitte sind natürlich das Sahneteil der ganzen Edition. Das Original-Album kommt hier in absolut identischer Ted-Jensen-Überspielung wie vor einiger Zeit in der „The Definitive Remasters“-Serie der Island-Jahre. Vielleicht ist das hier auch ein Akt von Pietät, aber auf den 28 Seiten des Booklets (und auch sonstwo nirgends) findet man nicht einen einzigen Vermerk, wer da welche Songs schrieb.