Joe Jackson Band – Volume 4 :: Restless/Ryko
Joe weiß es nicht, aber diese Platte hat er für mich gemacht. Weil er mich damals so mitleidig anlächelte, als ich ihn nach seinen frühen Platten fragte und er doch nur über seine raffinierte „Night Music“ sprechen wollte, einen prätentiösen Schmarren, mit dem er zum klassischen Komponisten geadelt zu werden hoffte. Da war er der Einzige. Joe wollte einfach nicht hören.
Danach wurde es noch schlimmer, als Joe für Sony Classical schreckliche Platten aufnahm: die sieben Todsünden vermurkste er, eine Symphonie musste es sein, bis er schließlich zu Sinnen kam und alte, schmissige Schlager noch einmal aufnahm. Manche der Songs stammten sogar von ihm. Schließlich schrieb er eine Fortsetzung von „Night And Day“, auf der leider nichts so gut war wie „Slow Song“, „Cancer“, „Steppin‘ Out“, „Breaking Us In Two“.
Nun ist Joe noch weiter zurückgegangen, an den Anfang nämlich. Und hat sich daran erinnert, dass er damals eine kleine Band hatte, die Joe Jackson Band, die nur bei „beat crazy!“ auf dem Cover stand. Doch Gary Sanford, Graham Maby und Dave Houghton spielten Alternativen1 von Maik Brüggemeyerauch auf „Look Sharp“ und „I’tn The Man“, und zwar noch etwas schärfer und unnachgiebiger als die Attractions. Wenn es traurig wurde, konnten sie auch sehr langsam spielen. Joe ist immerhin Pianist.
„Volume 4“ kann natürlich nicht so gut sein wie diese stupenden, unverschämten, anmaßenden, wütenden Platten. Joe waren sie später peinlich. Jetzt denkt er vielleicht anders darüber. „Volume 4“ ist jedenfalls verdammt gut, wenn man überlegt, dass 23 Jahre vergangen sind und was Chris Rea heute macht. Oder Adam Ant. Es wirkt nicht zwanghaft, wie Joe noch einmal den Sound adaptiert und ein bisschen auch die Attitüde. Hemd, Schlips, Hut. „We got beer but we want some crack/ We look white but we wanna be black“: Na ja, Joe ist in den USA alt geworden. Wenn er „In the beginning we were there till the end of the time“ singt, tut er das zu einer Melodie aus „Barrytown“ von Steely Dan, aber das hat Joe wohl gar nicht gemerkt. „Still Alive“ heißt der Song.
Es gibt auch Melancholie hier, „Chrome“ etwa, ein ganz unverstelltes Lied über eine alte Liebe, die es da draußen geschafft hat. Darum ging es Joe ja auf den ersten Platten, und irgendwie hat er es auch geschafft. Mit den einfachen Songs von „Volume 4“ ist er auf das Schönste unterfordert. Sie klingt, als hätte er sie zur Zeit der zugleich lässigen und verkrampften 3-Seiten-LP „Big World“ aufgenommen: als Fingerübung, als Probe. Und seien wir ehrlich, nach „Big World“ haben wir ihn verloren.
Jetzt sind die Songs wieder kurz und knackig, die Ambitionen bescheiden, die Melodien zupackend. Der Bass ist wieder da. Die Joe Jackson Band hat das alles in England aufgenommen. Auch die sechs Live-Versionen auf der Bonus-CD, darunter „One More Time“, „On Yoat Radio“, „It’s Different For Girls“. Die haben sie brav und orginalgetreu nachgespielt, so, wie Joe es nie wollte. Er hat die Stücke immer zertrümmert.
Joe hat diese Platte für uns gemacht, die immer hofften, ihn noch einmal im Radio zu hören. Wir wollten ihm ja gar nicht zu nahe kommen. Wenn nur jede Erinnerung so glücklich wäre.