3,0 Ibrahim Ferrer Buenos Hermanos :: World Circiut
Nach seinem Debüt stieg er zu everybody’s darling des Buena Vista Social Club auf der Mittsiebziger mit der Kangol-Kappe, dem smarten Lächeln und der noch viel smarteren Stimme wird mittlerweile von Fernost bis Kalifornien für seine nostalgischen Boleros abgöttisch verehrt. Nach einem Leben, das ihm zwischen der bitteren Existenz eines Straßenverkäufers und dem Platz an Genosse Chruschtschows Dinnertafel alle Höhen und Tiefen bescherte, hatte sich der Kubaner zwischenzeitlich schon aus der Musikwelt zurückgezogen. Über Dekaden geringgeschätzt von seinen Kollegen, kam der späte Ruhm mit Ry Cooders Team gänzlich unerwartet.
Ein Fluch habe sich endlich von ihm gelöst, so Ibrahim Ferrer. Und jetzt hat er kein Verlangen, sich auf den späten Lorbeeren auszuruhen, eher scheint ihm der Aufbruch zu Experimentellem entgegenzukommen. Denn wie schon vor zwei Jahren auf dem gewagten Elaborat des Buena-Bassisten „Cachaito“ haben Cooder und World Circuit-Chef Nick Gold auf Ferrers zweitem Album ungewöhnliche Gäste und Gimmicks in die Songs genestelt, und die rekrutieren sich nicht mehr ausschließlich aus klassischen Nummern.
Gerade mit seinen zwei Eigenkompositionen beweist der Kuba-Crooner, dass er sich auf schnulzige Boleros nicht limitieren lässt, denn „Boquinene“ ist eine unter Dampf stehende Rumba, elegant von dezenten Chorstimmen abgerundet, und in „Hay Que Entrarle…“ improvisiert er aufgekratzt vor fulminantem Bläser-Backing. Angerostete Hammond und locker klopfende Congas geleiten durchs Titelstück, ein Kuriosum ist das unerhörte Näseln der chinesischen Schalmei im Hintergrund. Im mexikanischen Klassiker „Naufragio“ hebt er gar kurz zum Jodeln an, umgarnt vom gemächlichen Tastenspiel des Flaco Jimenez.
Schmalz gibt es nur noch in kleinen Portiönchen, denn durch die ungeschliffene Sixties-Gitarre von Manuel Galbän nimmt man den Streichern, wie in „Mil Congojas“, ihre vordergründige Schwüle. Und die Blind Boys Of Alabama bringen als Begleitchor eine vollkehlige Afro-Note ins Bolero-Pathos, das Ferrer natürlich wie eh und je herzergreifend ausspielt.
„Das ist das Thriller-Album der Latino-Musik!“, verbreitete Produzent Ry Cooder kürzlich in einem Interview wie immer gänzlich unbescheiden. Das ist sicherlich sehr hoch gegeriffen. Aber mit Bedacht wurde hier eine prätentiöse Patina vom Sound zwischen Santiago und Havanna gekratzt.
und das tut dem Gesamtergebnis ausgesprochen gut.