Kelly Rowland – Simply Deep :: Epic Sony
In jeder Girl Group gibt es die eine, die alle (großen Jungs) haben wollen, aber keiner bekommen kann (im wirklichen Leben). Im Falle von Destiny’s Child ist das natürlich eindeutig Beyonce Knowles. Viel zu hübsch, zu clever, zu ehrgeizig. So eine hält lieber den Austin Powers‘ dieser Welt den Goldständer.
Und dann gibt es mindestens eine andere, deren Qualitäten zwar nicht gänzlich im Verborgenen blühen, die aber eher in die Kategorie „Pferdestehlen mit Stil“ passt. Und damit viel besser ins wahre Leben großer Jungs. Womit wir bei Kelly Rowland wären. Und bei ihrem ersten Solo-Album „Simply Deep“. Aber einfach ist natürlich gar nichts, wenn man den Menschen nach der Vorgeschichte ganz tief „als Individuum“ kommen möchte und eben „nicht einfach als ein Mädchen von Destiny’s Child“, wie sie tapfer vorausschickt.
Zwecks Emanzipation vom Arbeitgeber outet sich Rowland sogar als Rock-Fan und stellt „einen Mix aus Sade und wirklich kantigem Rocksound“ in Aussicht. Der bleibt uns glücklicherweise erspart Richtige Gitarren-Riffe gibt’s aber schon, gleich im ersten Song: „Stole“, ein pädagogischer Herz-Schmerz-Groover um vertane Chancen und Fehltritte mit Konsequenzen, ist zu Recht auch die erste Single, nicht zuletzt eines fliegenden Refrains wegen, der Marilyn M. ein schönes Denkmal setzt. Klasse, Kelly! Hätte aber auch – sorry – prima ins D.C.-Repertoire gepasst.
Im weiteren Verlauf der Veranstaltung ist Rotschopf Rowland, die auch ein bisschen mitschreiben und arrangieren durfte, hörbar bemüht, gängige R&B-Schemata hinter sich zu lassen bzw. diese in neuem Kontext aufzubrechen. Was ihr nicht immer so hübsch gelingt wie mit dem Sing-A-Long „(Love Lives In) Strange Places“ und dem kreiselnden „Obsession“. Weitere Gitarren werden dabei aber eher verschämt im Mix versteckt („Love/Hate“) bzw. ganz ans Ende des Reigens gepackt – akustischer Jingle-Jangle stellt die Weichen für „Train On A Track“, im nicht wirklich gelungenen „Beyond Imagination“ rufen ferne Grunge-Echos.
Den Spion im Nest überlebt Rowland aber halbwegs: Der Titelsong wurde von einer gewissen Solange Knowies geschrieben. Richtig, das ist ihre jüngere Schwester. Unsere Service-Info für sie: „Dilemma“, Kellys Hit-Duett mit Rapper Nelly, ist gar nicht auf „Simply Deep“ zu finden. Schade. Und jetzt warten wir worauf? Natürlich aufs Solodebüt von Supersister Beyonce.