David Poe – The Late Album :: Ulftone/Edel
Ungefähr 695 Gigs später. Mein Gott, mit oder vor wem hat David Poe in den letzten Jahren eigentlich nicht auf der Bühne gestanden? Tori Amos, Bob Dylan, Lloyd Cole, die Jayhawks, Beth Orton etc.pp.
„Deathwatch For A Living Legend“, die für ihre letzte Stunde noch mal auf die Bühne des Madison Square Garden gehievt wird, um die Gier von Kameras und Publikum zu befriedigen, dürfte auf seinem etwas kokett betitelten zweiten Album der stärkste Nachklang dieser Never-ending-road-Erfahrung sein. Nicht zuletzt musikalisch: In seiner Dynamik aus cooler Sophisfication und unbändiger Power spiegelt der Song den Bühnen-Poe noch am deutlichsten wieder.
Erstaunlich eigentlich, dass sich drumherum ein Album entwickeln konnte, auf dem der Wahl-New forker aus dem Mittleren Westen so fest entschlossen ist, das Studio als eigenes Biest zu begreifen, mit dem auf Augenhöhe zu ringen ist, ohne sich den Kopf abbeißen zu lassen. Letzteres verhinderten neben einem verständigen Produzenten wie Brad Jones und der bewährten Rhythm Section John Abbey und Sim Cain auch Gastmusiker wie Gary Louris (Jayhawks), Steel-Spezi Al Perkins und Saxer Jim Hoke. „Echo Box“ und „Childbearing“, der etwas andere, aber immer präzise beobachtete boy-meets-girl-song, geben zunächst wieder die Richtung höherer Power-Pop-Ansprüche mit schmeichelndem Gesang vor.
Doch dann eröffnet „The Late Song (je ne suis pas mort)“, mit der ziemlich unglaublichen Zeile „It’s a shame you’re not around, now I’m not dead anymore“ das weite, zentrale Feld der kunstvollen, aber nicht gekünstelten Abgesänge mit unmissverständlichen Titeln wie „Never I Will“ und „Love Won’t Last The Afternoon“.
„The Drifter“ gibt’s gleich zweimal, wobei die Harmonies-beseelte Akustik-Version noch besser ist als die vorangegangene Band-Variante. In „You’re The Bomb“ ist Poe gar als sanfter Late-Night-Crooner zu edlen Streichern nicht fehlbesetzt. Der sprühende Sarkasmus seines Debüts, der da so hübsch verpackt fast hinter jeder noch so schönen Melodie lauerte, ist hier bestenfalls noch in der einen oder anderen bitteren Fußnote versteckt.
Es ist halt spät geworden, auch für David Poe.