Portishead
Dummy
Metronome/Universal
Platz 9 der 100 besten Alben
Das gibt es ja immer noch manchmal: dass ein Album ganz ohne Vorwarnung, ohne Vorgänger, ohne Referenzen erscheint – und eine halbe Generation prägt. Wobei „Dummy“ einerseits sofort von Modernisten (TripHop!) geliebt wurde und ein Sub-Genre begründete, andererseits von Traditionalisten, die hier große Stimme und torch song vernahmen, nicht minder verehrt wurde. Ein Synthesizer-Wizard namens Geoff Barrow hatte die schmerzlich-schönen Soundscapes entworfen, Scratching kam hinzu, aber es hätte nicht viel bedeutet ohne die verwundete, dringliche Stimme von Beth Gibbons, einer ebenso scheuen wie wunderlichen Erscheinung. Songs wie „Sour Times“, „Numb“ und „Roads“ schneiden ins Herz. „Nobody loves me, it’s true“, singt diese Göttin des Missvergnügens, maunzt wie Lady Day, somnambul, distanziert, sehr britisch. Dennoch deutet Gibbons ein Begehren, ein Verzehren an, das dem R&B späterer Jahre vollkommen fremd ist Portishead bestimmen bis heute, wie coole Reklame-Soundtracks klingen müssen – die trunkenen, betrunkenen Auftritte der Gibbons aber bleiben in Erinnerung nicht als Klang-Design, sondern als Existenzdrama. „Dummy“ war Zukunftsmusik und blieb allein.