Sam Ragga Band – Loktown Hi-Life
Es bringt den deutschen Multikulturalismus ja nicht unbedingt voran, wenn erwachsene Menschen ihr Schulenglisch mit mäßig imitiertem Patois-Slang anreichern. Jan Delay hatte die noch fragwürdigere Idee, für die Reggae-Platte „Searching For The Jan Soul Rebeis“ (2001) auf deutsch über die unjamaikanischen Themen RAF und Hitler zu singen – insofern ein Kunstgriff, als der Roots-Sound seiner Sam Ragga Band die political correctness der Texte auf akzeptables Maß herunterdimmte. Eine Pose hob die andere auf. Dass Reggae in Hamburg eine Pose ist, weiß jeder, der einmal im „Dub Club“ in der Roten Flora zwischen Hunden seinen Tee getrunken hat. Deshalb muss Hamburg-Lokstedt Loktown heißen, und auf dem so ähnlich betitelten ersten eigenen Sam Ragga Band-Album sorgt Gelegenheits-Mitglied Delay (nur bei drei von 12 Stücken dabei) mit „Die Welt steht still“ für den großen Moment: Ich kenne kein anderes so liebevolles und unerbittliches Lied über die Lethargie des Kiffers, der am Schluss auf seinem Bett verwest Samy Deluxe, Blak Twang, Jessica Mclntyre und weitere Gast-Sänger verhandeln dann in wechselnden Sprachen Umweltverschmutzung, Hunger und ungetrübtes Ganja (die jamaikanischen Themen), während die Band mit Ein-Ton-Rubbelgitarre, Turm-Bläsern und Dub-Tricks so wenig wie möglich aus dem Genre hinauskreuzt.
Künstlerischer Ehrgeiz (wie bei den im letzten Heft vorgestellten HipHop-Sound Systems) fehlt hier völlig. Die Sorgfalt und Versagensangst, mit der die Sam Ragga Band die typischen Handbewegungen ihrer Helden imitiert, bringt aber Gutes: Befreien Sie sich endgültig vom Bossa-Nova-Lounge-Horror! „Loktown Hi-Life“ ist eine Chill-out-Empfehlung und deshalb sehr selten.