Vinyl :: von Wolfgang Doebeling
Otis Redding – Sings Soul Ballads
Das zweite Album des Georgia Boy, der in Anzeigen damals als „The Big O“ firmierte, wiewohl ja Roy Orbison ältere Rechte an dieser Ruhmesbezeugung hatte. Redding wühlt und wuchtet sich durch zwölf Blues-Balladen, darunter „Chained And Bound“, „Mr. Pitiful“ und das fast zeitgleich von den Stones gecoverte „That’s How Strong My Love Is“. Die berühmte Stax-Hausband spielt mit untrüglichem Instinkt, Otis selbst bringt bei den Sessions Ideen zur Instrumentation ein. Was ein paar Tracks unüberhörbar in Richtung Gospel bugsierte. Die Botschaften der Songs freilich sind weltlich: Mann braucht Frau, Frau ziert sich. Magisch, wenn sich der Sänger das Verlangen aus der Kehle ringt, bald flehend, bald fordernd, und es sind nur diese fetten Bläsersatze, die zurückhöhnen: Streng dich mehr an, Mann, sie erhört dich nicht. Das analoge Remastering ist dieser historischen Aufnahmen würdig, die Auftragspressung von Rhino lässt kaum Wünsche offen. (4MENWITHBEARDS) 4,5
Neil Diamond – Touching You, Touching Me
Die Jahre 1968 und ’69 markierten für Neil Diamond den Übergang vom Pop-Hit-Lieferanten, unter anderem für Jay 8C The Americans, The Monkees und sich selbst, zum Allround-Entertainer. „Velvet Gloves And Spit“, ein künstlerisch keineswegs gescheiterter Versuch, den Rock-Markt zu bedienen, war kommerziell gefloppt, der Nachfolger „Brother Love’s Travelling Salva-Hon Show“ litt unter einer erratischen Songauswahl. Erst mit „Touching“ fand Diamond dann zurück zu mehr Kohärenz und Fortune, coverte Fred Neil, Joni Mitchell und Jerry Jeff Walker und setzte sich mit „Holly Holy“ ein weiteres Songdenkmal mittlerer Bedeutung. Schön, wie die am Easy Listening jener Epoche orientierten Orchestrierungen von Lee Holdridge Reibung erzeugen mit dem meist Folk-ernsten Material. (MCA/ UNIVERSAL) 3,0
Joe Cocker – Mad Dogs & Englishmen
Wer nur Cockers Fließband-Produktionen der letzten 20 Jahre kennt, dürfte sich nur schwer davon überzeugen lassen, daß der Mann aus Sheffield einmal wichtig war, ein vitaler, quasi vegetativ Stilgrenzen transzendierender Vokalist an der Schnittstelle zwischen Soul, Rock und Blues. Diese Ende März 1970 im Fillmore East aufgenommene (und gefilmte), fulminante Revue legt davon Zeugnis ab. Begleitet von einer Crew musikbesessener Mavericks wie Leon Russell, Chris Stainton, Jim Keltner und Bobby Keys, manövriert sich der gute Joe durch ein Minenfeld musikalischer Eruptionen, nicht immer voll orientiert, stets jedoch mit Leib und Seele. Die ganz Großen (Dylan, Cohen, Jagger/Richards, Lennon/Mc-Cartney) werden interpretiert, eigene Hits wie Russells „Delta Lady“ oder Dave Masons „Feelin‘ Alright“ nicht ausgelassen. Stellenweise grandios. Die Doppel-LP verkaufte sich gut, die personalintensive, zweimonatige Tour jedoch trieb Cocker in den Bankrott. Exzellente Edition in der von Universals 180g-Serie gewohnten Sorgfalt. (A&M) 3,5
Curtis Mayfield – Got To Find A Way
Kein Meisterwerk: Mayfield erging sich nach „Superfly“ entweder in sehr mäßigen Soundtracks oder, wie auf diesem 74er Studio-Elaborat, in formelhaftem Funk. Doppel-LP und Foldout-Cover, immerhin.
(GETBACK/CARGO) 2,5