Tattoo, Regie: robert Schwentke :: (Start 4.4.)

Schimanskis Duisburg war bislang die bestechendste, stimmungsvollste Kulisse deutscher Kriminalfilme. Nun hat endlich mal jemand die vielfaltige und bizarre Atmosphäre von Berlin kongenial in Szene gesetzt. Dort folgt Robert Schwentke, der mehrere Drehbücher für den „Tatort“ verfasst hatte und einmal für den Grimme-Preis nominiert war, zwar deutlich den Spuren von David Finchers „Sieben“ und Joel Schumachers „Acht Millimeter“. Aber sein Regiedebüt ist als Abklatsch ausgezeichnet gelungen und vor allem ein versiertes Genrewerk, das fast alle amerikanischen Psycho-Thriller der letzten Zeit übertrifft.

Marc Schrader, dargestellt von August Diehl aus dem Hackerfilm „23“, hat gerade erst die Polizeischule beendet. Zunächst untersucht er mit Hauptkommissar Minks (Christian Redl) nur den Tod einer jungen Frau, deren Leiche fast vollständig verkohlt ist. Der Pathologe Scheck (Gustav-Peter Wöhler), ein typisch sarkastisches Exemplar seiner Zunft, entdeckt in ihrem Mund dann einen abgebissenen Finger. Der gehört zu Günzel (Joe Bausch), der bereits wegen Körperverletzung und Vergewaltigung gesessen hat. Marc und Minks fahren zu seinem Haus, finden im Garten ein Massengrab und im Keller ein Folterarsenal – sowie ein Stück konservierte Haut mit einer kunstfertigen Tätowierung. Bei der Fahndung nach dem offensichtlichen Serienmörder tauchen immer weitere Tote auf. Das Motiv können sich die zwei Polizisten nicht erklären. Nachdem Günzel sich aber mit Marcs Pistole erschossen hat, wird der Fall als Tat eines Psychopathen abgeschlossen. Tage später trifft Marc einen Junkie, der sich für Bares seine Tattoos mitsamt Haut abziehen lässt – und vermutet einen weitaus bestialischeren Handel.

Der Plot um das Geschäft mit Tätowierungen als Kunstobjekte entwickelt sich mit geradezu stoischer Beiläufigkeit zu einem geschickten Geflecht und ermöglicht Schwentke etliche Aspekte über Abgründe, Trends, Obsessionen, mythische japanische Traditionen und Spekulationen zu Vermissten. Tattoos sind schick, zahllose junge Menschen tragen inzwischen welche, jeder von ihnen ist also ein potenzielles Opfer. So führt die Story durch Technoclubs, zu einem elitären, perfiden Sammler und Anwalt (Johan Leysen) bis zur Galeristin Maya – eine verführerische Schöne, die Nadeshda Brennicke mit eisiger Eleganz und Erotik verkörpert.

Bei aller Stilisierung hat Schwentke die Charaktere dennoch glaubhaft angelegt. Vor allem Redl agiert bemerkenswert minimalistisch mit tonlosem Grimm als erstarrter Bulle, den seine Kollegen „Killer“ nennen, weil er nach dem Unfalltod seiner Ehefrau den geflüchteten Fahrer aufgespürt und erledigt haben soll.

Neben dem stimmigen Schnitt wird die Spannung aber auch getragen vom sorgfältig arrangierten Set-Design. In monochromen Farben aus Betongrau, Grün und Blau ist die Atmosphäre gehalten, Regen und tiefe Schatten werden nur gebrochen von hartem, kaltem Licht. Das ungemein detailierte Dekor ist ein kunstvolles Gemenge aus Möbeln und Klamotten zwischen den 50er, 60er und 70er Jahren. Und die Graffiti an den Häuserwänden Berlins wirken wie die Tattoos der Stadt.

Schwentke hält stilsicher die Balance der Thriller-Regeln. Nur beim Finale gerät er aus dem Tritt und stolpert hastig in ein offenes Ende.

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