Short Cuts :: VON JOACHIM HENTSCHEL
Taylor Savvy – Ladies & Gentlemen (kitty-yo/efa)
Eine Animationsplatte, bei der man sich nicht wundern müsste, wenn der Künstler zwischen den Stücken die Tanzschritte ansagen würde. Taylor Sawys Pop brennt sich fest auf die rudimentären Schwünge und Sprüche der Disco-Musik, und obwohl die lustigen Herrschaften (unter anderem die Label-Kollegen Peaches und Gonzales) oft nicht ganz richtig im Kopf zu sein scheinen, wird das alles mit der Zeit seltsam zwingend und ohrwurmig. In einem grabbeligen Disco-House-Stück singen sie sechs Minuten lang „Everybody party with me“, mit verteilten Rollen und wachsender Ungeduld. Eine Prince-Revue, allerdings ohne Religion und Bläsersätze.3,0
The Distillers – Sing Sing Death House (HELLCAT/EPITAPH/CONNECTED)
Ein festes Punkpaar für blöde Postkartenmotive sind Rancids Tim Armstrong und Ehefrau Brody, die bei den Distillers singt und hier sogar ein Lied über das Eheglück präsentiert. Doch, doch, so herzig kann ein straßenkatzenkratzbürstiger Rock’n’Roll sein, bei dem die vier Musiker zusammen in einer Telefonzelle zu stecken scheinen, der nur Unterschiede zwischen „“laut“, „“vorlaut“ und „“sehr laut“ kennt, der seine kleinen Schrammen nicht versteckt und nichts Böses will. So viel Lebenstüchtigkeit gönnt man nur den besten Freunden. 3,0
Reverend Beat-Man
Reverend Beat-Man And The Un-Be ievers (VOODOO RH YTHM/SWAM P ROOM) Der schwer erziehbare schwingende Schwager aus der Schweiz hieß früher Lightning Beat-Man, ist jüngst zum römisch-katholischen Satanismus konvertiert und wird auf dieser Mono-Platte vom Leibhaftigen grell brüllend durch die Beat-Garage getreten. Oder umgekehrt. 3,0
One Word One Sound (INTERMEDIUM)
Ein Kunst-Protokoll. Die Hörspiel-Redaktion des Bayerischen Rundfunks schickte Mini-Samples aus Dichterlesungen an zehn Laptop-Musik-Produzenten. Also: Zentralflughafen remixt Friederike Mayröcker. Der Soundtrack zur Reflexion über serielle Lyrik. 2,5
Popshopping 2 (CRIPPLED DICK HOT WAX/EFA)
Weil „Florida Boy“- und „“Ahoi Brause“-T-Shirts nun sicher nicht mehr cool sind, darf man die zweite Folge der Werbespot-Compilation ganz sachlich betrachten: als unterhaltsame Sammlung von kleinformatigem Hüft-Jazz und Filterzigaretten-Limbo der Sechziger und Siebziger, teils mit Stars wie Martin Böttcher und Peter Thomas. Triumphal ist der „“Teekessel“-Schlager, der einen der zwei zentralen V&ferte befördert: Behaglichkeit. Der andere: Sex. HipHop-DJs und Mix-Kassetten-Bastler brauchen diese Platte. 4,0
If I Was Prince (XL/BEGGARS BANQUET/CONNECTED)
Nie mehr Gags über Prince! Auf diesem Coverversionen-Sampler sind glücklicherweise nur respektable Leute (Op:l Bastards, Simian, Jeb Loy Nichols), die unaufdringlich gewitzte Varianten spielen. 3,0
Shane MacGowan’s Popes – Across The Broad Atlantic (EAGLE)
Als auf den britischen Inseln die Maul- und Klauenseuche loderte, feierte Ex-Pogues-Sänger Shane McGowan den Saint Patrick’s Day in New York. Drei Monate später wurde das Fest in Dublin nachgeholt, deshalb jetzt die Live-Platte mit Stücken beider Konzerte. Nicht überrascht sein: Der Herr war übel beieinander. Er torkelt verwirrt durch seine größten Dichtungen, zieht beim Singen lautstark die Nase hoch. Bürgerlichen Pogues-Hörern zeigt das, wie schnell der Lustblick auf die Gesellschaftsränder in Elendspornographie umkippen kann. Sein altes Muttchen singt „“Fairytale Of New York“ mit. Sie hat sich gut gehalten. 1,0
River City High – Won’t Turn Down (defiance/zomba)
Jetzt versteht sogar die Oma, warum man Emocore und kalifornischen Neo-Punk hören soll. River City High aus Richmond/Virginia rocken und unterhalten ordentlich, mit Schmackes – da singst und springst auch du mit! Du weißt, was sie als nächstes tun, du brauchst sie nicht zu furchten. 2,0
The Cable Car Theory – The Deconstruction (ZOMBA)
Härte allein reißt es auch nicht heraus. In dem Punkt überraschen unprominente amerikanische Hardcore-Bands immer wieder mit fesselnd virtuoser Gitarrenmusik: The Cable Car Theory aus Staten Island spielen durchdacht, aufgeklärt, oft freilich brutal. Und singen mitten im Gewitter zum Beispiel diese Zeile: „“I am a first kiss in January snow.“ 3,5
Koop – Waltz For Koop (JAZZANOVA COMPOST/PP SALES)
Das ist nicht sexy Rio (obwohl ich beim Hören ständig an Antonio Carlos Jobim und Astrud Gilberto denken muss), sondern Swingin‘ Stockholm. Das Duo Koop arbeitet unter dem sonderlichen Vorsatz, den schwedischen Lounge-Jazz der fünfziger Jahre zu restaurieren – deshalb baut ihre zweite Platte auf sehr traditionelle Formen von Coolness, klingt ungebrochen retro, ist mit klappernden Bongos, Standbass und uneitlen Streichern verzückend atmosphärisch. Sogar ein, zwei Hits sind drauf. Kleinste Überraschung: Der vor Jahren wieder entdeckte Gitarrist und Soul-Survivor Terry Callier macht mit. 3,5