Im Bann des Jade-Skorpions

(Start 6.12.) Woody Allen ist verlässlich wie ein guter alter Freund. Seit Ende der Sechziger lädt er fast jedes Jahr zu einem weiteren Film ein. Man sieht ihn sich gerne an, obwohl er einen kaum noch überrascht, denn er hat auch nie wirklich enttäuscht. Ein Film von Allen ist wie Weihnachten, ein Stück Gemütlichkeit, ein Ritual. So wie einen dabei die Geschenke nicht mehr überraschen, kennt man mittlerweile jede seiner Gesten und den Aufbau seiner Pointen. Alles sitzt, alles schnurrt.

„Im Bann des Jade-Skorpions“ ist sein 31. Film. Er ist gut. Er ist besser als die meisten heutigen Produktionen, so wenig postmodern wie der Jazz, den er beständigjede Woche am gleichen Tag auf der Klarinette spielt, ein altmodisches Komödienstück und fast ein Kammerspiel. Allen gibt wie eh den Loser, zeit- und weltfremd, geduckt und zappelig. Als Versicherungsdetektiv CW Briggs soll er trotz makelloser Quote wegen seiner überholten Arbeitsweise ausrangiert werden. Seine letzte Chance sieht er darin, eine Serie spektakulärer Juwelenraube aufzuklären, gerät dabei allerdings selbst unter Verdacht.

Die Geschichte ist gegen Ende der 30er und Anfang der 40er Jahre angesiedelt, zwischen den screwballcontedies von Howard Hawks und George Cukor sowie den damals populären Kriminal-Reihen „Charlie Chan“ und „Der dünne Mann“. Das kann man wie üblich eine Hommage nennen. Aber Allen sampelt nicht, er wuchert nicht mit superschlauen Referenzen. Man muss nicht tiefstes Filmwissen bemühen, um mit Helen Hunt als energische Chefin einen Verweis auf Katherine Hepburn oder in der blonden Mähne von Charlize Theron als Femme fatale etwa Veronika Lake zu erkennen. Allen ordnet alles seinem unaufdringlichen, von Dialogen und aphoristischen Sprüchen geprägtem Stil unter. „Im Bann des Jade-Skorpions“ könnte auch in den Siebzigern und Neunzigern oder der Gegenwart spielen. Eine Parabel also, auch auf seine Reputation und Methodik als 63-jähriger Regisseur.

Allen befindet sich in seinem vierten Karriereabschnitt Jeder wurde immer auch von seinen Lieben und gescheiterten Ehen geprägt Er begann mit anarchischen Klamotten wie „Woody, der Unglücksrabe“ und „Bananas“. Dann kam Diane Keaton und mit ihr schließlich auch der künstlerische Wandel, der Respekt, der Oscar für „Der Stadtneurotiker“. Mit Mia Farrow kam die Konsolidierung auf höchstem Niveau, der Rückzug in die Nostalgie, die Innerlichkeit, das Familäre und den Versuch der absoluten Ernsthaftigkeit „Zelig“. „Radio Days“. „Hannah und ihre Schwestern“. „Eine andere Frau“. Seit „Ehemänner und Ehefrauen“ und der Trennung von Farrow ist Allen mit deren Adoptivtochter liiert -die nicht schauspielert oder schreibt, sich überhaupt gar nicht einzumischen scheint Nun geht er jedes Jahr fremd mit einem anderen Korrektiv, das seine Obsession nach dem Weibe erfüllt: Jennifer Tilly, Mira Sorvino, Julia Roberts, Drew Barrymore, Winona Ryder, Demi Moore, Melanie Griffith, Famke Janssen und, und, und». Und nun eben Helen Hunt, die in ihrer Art die Keaton beerben könnte, sowie schon zum zweiten Mal Charlize Theron, die reinste Versuchung.

Man fühlt sich wohl bei Woody Allen, dem guten alten Freund, seinen tollen Frauen und seiner behaglichen Kinostube, blinzelt amüsiert auf die Leinwand, wo die Legende sich unablässlich wiederholt – und nickt irgendwann zufrieden ein.

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