Blondie – Parallel Lines
Ein bisschen Girl-Group-Pop und eine milde Prise Punk, ein deftiger Schuss Oldies-Nostalgie und manchmal Disco-Ambitionen, Andy-Warhol-Connections und zumindest anfangs Anspruch auf New- Wave-GIaubwürdigkeit, die süßen Schlampe-mit-Herz-Lügen und genügend Pop-Ohrwürmer, mit denen Erfolgsproduzent Mike Chapman beim dritten Anlauf dann doch noch die Karriere so richtig in die Gänge brachte: Mit ihrer von Beginn an ultrakommerziell gestylten Trash-Asthetik waren Blondie immer good clean fun. Nichts, was New Yorker Kollegen wie die von Television, Ramones oder der Patti Smith Band zu Selbstzweifehl hätte provozieren müssen. Wer immer die Idee hatte, die Jungs hinter dieser von einer Serviererin zum Pin-up-Idol mutierten Blondine für ihr erfolgreichstes Album, „Parallel Lines“, mit Schlips, weißen Hemden und schwarzen Anzügen in Turnschuhen abzulichten, der hatte begriffen, worum es hier ging.
„The band really New Yawks it up!“ lobte Kritikerpapst Robert Christgau damals die LP. Die fand man auch in England (und andernorts) so toll, dass gleich vier von deren Songs dort Hits wurden und Blondie endlich die perfekte Erfolgsformel gefunden zu haben glaubten. Für den cleveren Retro-Pop des Debüts „Blondie“ (3,5) zwei Jahre zuvor war Richard Gottehrer der richtige Produzent gewesen. Rückblickend betrachtet und jetzt wiedergehört, fragt man sich nur, wie jemand bei solchen Rückbezügen zu Shangri-Las und Chuck Berry, Surf Music und Brill Building-Traditionen jemals irgendeiner Neuen Welle zugerechnet werden konnte. Vermutlich würde wohl heute kein Mensch mehr noch einer Sängerin mit so wenig ausdrucksvoller Stimme, wie sie Debbie Harry damals hatte, noch eine zweite Chance geben. Aber die passte auf dem Folgewerk, „PlasticLetters“, (3,0 ) bei einem Oldie wie „Denis“. Und dann war da auch noch „(I’m Always Touched By Your) Presence, Dear“, die beste Originalkomposition der LP, bei der Miss Harry nicht mehr wie eine ins Plattenstudio verirrte Amateur-Diseuse klang. Zugegeben: Solcher Amateurgesang kann ja manchmal auch seine Reize haben.
„Eat To The Beat“ (3,0 ) war die konsequente Doublette des dritten Albums. Dann kamen die (zu vielen) Drogen – und schon bei „Autoamerican“ (2,5) stimmte der Slogan „Blondie is a band!“ nicht mehr, mit dem man für die erste Quintett-Besetzung geworben hatte. „The Hunter“ (1,5) war eine jener Platten, mit denen man sich unrühmlich aus Verträgen stiehlt. Bei Tournee Ende der 70er Jahre blitzte manchmal noch der Ehrgeiz und Drang nach Höherem auf, wie manche der Bonus-Tracks hier (zaghafte Gehversuche auf Art-Rock-Gelände und Aufnahmen von Johnny-Cash-, T. Rex– und David-Bowie-Songs) belegen. Nie aufnahmetechnische Bravourstücke, war an diesen Platten auch durch Remastering nicht viel zu verbessern. Unendlich besser als die schrecklichen deutschen Vinylpressungen seinerzeit klingt das selbstredend.