Steely Dan – Showbiz Kids 1972-1980 :: Immer mal wieder: die Steely Dan-Ära auf einem Doppel-Album
Das war ein Moment, für den Oma lange gestrickt hat: Am Abend nach der Verleihung der Grammies vermeldete die „Tagesschau“, dass die beiden Routiniers Walter Becker und Donald ragen, die seit 1968 zusammen musizieren, drei Trophären gewannen. Und zwar für ein Album, das laut „Tageschau“ ungefähr „Zwei gegen die Natur“ heißt. Jawohl! Und dann sah man die beiden alten Krähen aufs Podium steigen, ausgezeichnet für ihren Geschmack, ihre Raffinesse, ihre Technik. ,Jazz und Soul in Vollendung“ verkündete der offiziöse Sprecher der „Tagesschau“ ahnungslos. Dann die Wetterkarte. Es griff ans Herz.
Andererseits: Warum wohl haben die „Veteranen“, wie es heute immerzu heißt, nicht in den 70er Jahren die Grammys bekommen? Damals rebellierten sie gegen die Plattenfirmen-Anzüge, die schon ihr zweites Album nicht veröffentlichen wollten und fragten, weshalb auf der Cover-Zeichnung nur drei Figuren zu sehen waren, obwohl doch vier Menschen in der Band seien. Und denen die Musik vorkam wie deutsche Avantgarde, wie sich Becker und Fagen anlässlich der neuen Edition von „Countdown To Ecstasy“ vitriolisch erinnern. Ihr Werk sei zerstört worden von Ignoranz und Geldgier, klagt das Duo im Booklet. Aus der Distanz dürfen sie das, denn die Machthaber von MCA sind längst in Rente oder tot.
Und weil Becker und Fagen selbst nur mit knapper Mühe die Achtziger überlebt haben und heute ebenso aussehen wie die Anzugträger bei den Plattenfirmen, durften sie sich nun ihre Brillanz bescheinigen lassen, denn niemandem tat es weh. Die Älteren erinnerten sich an „Do It Again“, die Jüngeren sahen zwei Daddies, die im Jazz-Keller ihre Lieblingsmusik spielen. Und tatsächlich waren es ja immer die Meister des Jazz, die Donald Fagen bewunderte und denen er bis in die kleinste Garderobe nachstieg, um ein Autogramm zu erhaschen. Bis heute erkennen ihn die wenigsten dieser Virtuosen. Und „Two Against Nature“ war zwar in Amerika ein erstaunlicher Erfolg zwischen Papa Roach, Backstreet Boys und Limp Bizkit beschieden – aber vermarktet wurde diese Platte nicht. In einer Rezension war von „Underground-Koryphäen“ die Rede. hey nineteen Das ist ungefähr das Pop-Verständnis von Thomas Gottschalk. Steely Dan waren subversiv, und auch deshalb ist es ein Witz, dass die neue Anthologie „Showbiz Kids“ betitelt ist (so heißt ein nicht so berühmtes Stück). Ironie womöglich! Denn die Herren machten sich bei ihrer Tournee im letzten Jahr selbst qua marktschreierischer, selbstverständlich altmodischer Show-Dekoration über die vollständige Abwesenheit von Schauwerten lustig – abgesehen von den drei Sängerinnen, die altmännereifrig und politisch unkorrekt aus- und vorgestellt wurden. Bei „Babylon Sisters“ und „Hey Nineteen“ durften sie dem tagträumenden Fagen an seinem imaginären Strand dann in die Parade fahren. Nun saßen die frühreifen Gören, die Fagen auf „Iwo Against Nature“ umgarnt und lockt, bei der Grammy-Verleihung im Publikum. How about a kiss? Allein der Vortrag von „What A Shame About Me“ hätte den fröhlichen Abend gesprengt: böser als Eminem, schmieriger als Elton.
Die Anthologie mit dem Untertitel „The Steely Dan Story“ versammelt immerhin 33 Songs und übertrifft damit frühere Sampler, wenn auch nicht die Box „Citizen Steely Dan“. Bei dem schmalen Gesamtwerk ist allerdings nicht einzusehen, weshalb der Novize nicht alle sieben Alben kaufen sollte. Könnte eine Seele retten. Für ein Taschengeld empfehlen wir dem Project Pitchfork-Hörer gern diese Doppel-CD: Die Zusammenstellung ist solide und hält sich vage an die Chronologie, die wichtigsten Songs sind enthalten. Aber das notorische Fehlen von „Barrytown“ enttäuscht wiederum, dafür gibt es diesmal das surrealistische, ja sinnlose „The Fez“, das davon handelt, dass jemand sich weigert, ohne aufgesetzten Hut irgendwas zu tun. Von „The Royal Scam „.
Auf See For Miles (SEECD 357) gibt es übrigens Fagens und Beckers Soundtrack zu dem Trash-Film „You Gotta Walk lt Like You Talk It“ von 1970. Damals sahen die beiden aus wie langhaarige Penner – und wer heute die Welt von Marilyn Manson nicht mehr versteht, der mag sich daran wärmen. So wird man ein alter Sack, ohne sich umzubringen.