Ani DiFranco – Revelling/Reckoninq
Es gibt Männer, die freimütig zugeben, sich ihre erste Ani-Difranco-Platte gekauft zu haben, nachdem sie ein Foto von ihr gesehen haben. Ohne auch nur einen Ton ihrer Musik zu kennen, wohlgemerkt. Zahlreiche andere Menschen wiederum können sich nicht mit ihr anfreunden, Foto oder nicht. Das ist Ani. Die menschliche Individualisierungsmaschine. Wenn sie dich anguckt, mein Freund, dann schmust sie nicht.
Längst dem frühen Ungestüm entwachsen wie ihre Dreadlocks den Stoppeln von einst, ist Ani heute mehr denn je die Erfüllung aller Ideale, die der Punk kurz und jemals hatte. Ihr den Schneid in Form von Righteous Babe abzukaufen, ihrem eigenen, unabhängigen Label, ist bisher jedenfalls niemandem gelungen. Sie weiß Bescheid und hat zu tun.
Soviel gleich vorweg: Mit dem Humor hapert’s noch immer. DiFranco ist es halt immer ernst mit ihren Anliegen, verdammt ernst, was zeitweise zu Distanzverlust und Überfrachtung fuhrt. Vor allem textlich. Schon klar, was „a smorgasbord ot unspoken poisons“ ausdrücken soll, wenn man weiß, dass Smorgasbord das dänische Wort für kaltes Büffet ist. Kraft indes hat es keine, dieses bildhafte Ungetüm.
Ansonsten hat ,Jteckoning/Revelling“ kreative Energie für zwei – und ist es auch. Eine kraftvolle wie zerbrechliche, weniger detailverliebte als detailbewusste Arbeit um Abrechnung und Inventur und ums Feiern davor auf zwei CDs, die getrennt voneinander verstanden werden mögen, aber nicht müssen. Folk, Funk, Pop, NYC-Downtown-Experimente, Bläsersätze, die nach Miles und Steely Dan schmecken, dezente Rhythmik aus dem Rechner, Ani solo oder mit ihrer Band, die sich hinsichtlich kollektiver Virtuosität mittlerweile auf Little Feat-Niveau bewegt – die Zutaten sind dieselben, der Grad der neuerlichen Verfeinerung verblüffend.